Der Hauch von Skandal (German Edition)
aber hartnäckig die Angst, dass dies ihn eines Tages an weiteren Expeditionen hindern und ans Haus fesseln würde – wo immer das dann sein mochte –, wo er bis an sein Lebensende wie ein Tier im Käfig vor sich hinvegetieren würde. Die Vorstellung erschreckte ihn. Und als er schließlich ins Grillon’s zurückgekehrt war, hatte Frazer ihn auch noch mit der Nachricht begrüßt, die Admiralität habe sich endlich wegen seiner nächsten Entsendung gemeldet.
„Man will Sie unverzüglich sehen, Mylord“, hatte Frazer ihm mit nach unten gebogenen Mundwinkeln ausgerichtet. „Ich musste ihnen mitteilen, Sie wären in einer dringenden geschäftlichen Angelegenheit unterwegs. Das war vor zwei Stunden. Ich könnte mir denken, sie sind nicht sonderlich erfreut darüber, dass Sie sie haben warten lassen.“
Alex hatte mit einem frostigen Empfang gerechnet und war daher äußerst überrascht, als man ihn mit ausgesuchter Freundlichkeit begrüßte. Dies weckte sein Misstrauen. Er wand sich unbemerkt auf seinem Stuhl und strich unauffällig über sein schmerzendes Bein.
„Schön, dass Sie sich zu uns gesellen, Grant. Es ist uns eine Freude, Sie zu sehen, alter Junge.“ Charles Yorke, der Marineminister, schüttelte ihm warmherzig die Hand. Yorke war kein Mann, dem Alex je sonderlich viel Respekt entgegengebracht hatte. Ihm gefiel nicht, dass der oberste Herr der Marine mehr Politiker als Seemann war. Wie sollte so ein Mann die Herausforderungen verstehen, denen sich ein Offizier im Dienst gegenübersah, ganz zu schweigen von seinen Erfahrungen? Hinzu kam, dass Yorkes Bruder Joseph ebenfalls im Vorstand der Admiralität saß. Wenigstens hatte Joseph Yorke in der Marine gedient, doch seine Beförderung hatte für Alex den unangenehmen Beigeschmack von Vetternwirtschaft. Ihm war bewusst, dass so etwas häufig vorkam, aber das bedeutete nicht, dass er es guthieß. Er versuchte jedoch, sich seine Abneigung nicht anmerken zu lassen.
Er rief sich in Erinnerung, dass er hier war, um zu erfahren, wie sein nächster Auftrag lautete. Da Joanna Ware sein Angebot, sie nach Bellsund zu begleiten, rigoros abgelehnt hatte, brauchte er seine Vorgesetzten nicht darum zu bitten, ihm eine weitere Reise zum Nordpol zu genehmigen. Im Grunde hielt ihn überhaupt nichts mehr in London. Innerhalb weniger Minuten konnte er diesen Raum wieder verlassen und auf sein Schiff zurückkehren, wohin er gehörte. Er konnte der erstickenden Hitze dieses Raums entfliehen und wieder an der frischen Luft sein. Er fühlte sich eingeengt, als könnten die gewaltigen Papierstöße auf dem Tisch sich erheben und ihm den letzten Atem aus den Lungen pressen. Er hatte sich in geschlossenen Räumen nie wohlgefühlt. Seit seiner Kindheit in Speyside hatte er sich am liebsten im Freien aufgehalten.
„Ich bin erfreut, Sie wieder in London zu haben, Grant“, sagte Charles Yorke gerade. „Was heißt erfreut – der Duke of Clarence hat mir berichtet, Sie wären gestern Abend bei den Boxern im Cribb’s der umjubelte Held gewesen.“
Alex gab sich große Mühe, nicht das Gesicht zu verziehen. Er hatte den Großteil der Nacht mit dem Versuch verbracht, einer Horde von überdrehten Menschen zu entfliehen, die einen Toast nach dem anderen auf ihn ausgebracht und ihm Getränke spendiert hatten, bis er vor Erschöpfung fast vom Stuhl gefallen wäre.
Zum Glück schien Yorke keine Antwort von ihm zu erwarten. „Es wird ein großes Vergnügen sein, für einen gewissen Zeitraum hier in der Admiralität mit Ihnen zusammenzuarbeiten“, fuhr er fort und breitete die Arme aus. „Eine Beförderung, wer weiß … vielleicht zum Konteradmiral, in ein oder zwei Jahren …“ Alex sah, dass Joseph Yorke gezwungen lächelte, und die anderen am Tisch nickten. „Sie sind ein Held, Grant, wirklich, ein echtes Vorbild für die Menschen.“
Alex war erschrocken zusammengezuckt. In der Admiralität arbeiten? Nur mühsam fand er seine Stimme. „So sehr ich mich auch geehrt fühle, Gentlemen, aber ich verstehe nicht ganz …“
„Natürlich nicht, natürlich nicht!“ Yorke strahlte über das ganze Gesicht. „Nur ein einfacher Seemann, was, Grant?“ Er nickte einem anderen Mitglied des Vorstands zu, James Buller, einem Berufspolitiker.
„Die Regierung ist sehr zufrieden mit Ihnen, Grant“, sagte Buller mit seiner leicht schrillen Stimme und wischte etwas Schnupftabak von seinem Ärmel. „Wir brauchen einen Helden, nachdem Nelson nicht mehr da ist. Cochrane ist zu großspurig,
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