Der Hauch von Skandal (German Edition)
hinter der sich eine Leidenschaft verbarg, die einen Mann um den Verstand bringen konnte. Sie war ein Preis, eine Trophäe, die größte Eroberung, die ein Mann machen konnte. Wer würde sich nicht eine solche Frau wünschen, die sein Heim zierte und sein Bett wärmte? Alex überlegte, dass er wahrscheinlich der einzige Mann in London war, der Lady Joanna Ware nicht mochte, und selbst das hielt ihn nicht davon ab, sie zu begehren.
Er erinnerte sich an Wares letzte verbitterte Worte, als er vom Fieber geschüttelt auf dem Totenbett gelegen hatte, das Gesicht bleich und schmerzverzerrt: „Ich brauche dich nicht darum zu bitten, dich um Joanna zu kümmern … Sie ist schon immer gut allein zurechtgekommen.“
Alex verstand jetzt, dass sie durchaus diesen Eindruck erwecken konnte. Joanna Ware strahlte eine kühle Selbstzufriedenheit aus, die Männern, die sich eine gefällige, fügsame Frau wünschten, sicher nicht behagte. Dennoch hatte er hinter ihrer Stärke auch Verwundbarkeit gespürt. Er hatte diese Verwundbarkeit in ihren Augen gesehen, als sie ihn benutzt hatte, um John Hagan abzuwehren. Zumindest hatte er das angenommen – aber vermutlich hatte er sich getäuscht. Lady Joanna war zweifellos eine berechnende Frau, die Männer zu ihrem Vorteil benutzte. Ganz sicher hatte sie versucht, ihn zu benutzen, und sich dabei viel mehr eingehandelt, als sie angestrebt hatte.
Lady Joannas Liebhaber … allein bei dem Gedanken spannte sich sein Körper an. Er hatte sich nie für einen fantasievollen Menschen gehalten. Für ihn zählte die kühle Vernunft mehr als alles andere, aber auf einmal stellte er fest, dass seine Fantasie weitaus lebhafter war, als er je vermutet hätte. Mit Joanna Ware das Bett zu teilen, ihr das verlockende kirschrote Kleid vom Körper zu streifen, ihre zarte helle Haut zu entblößen und mit den Lippen zu erkunden, in ihr zu versinken und mit ihr die höchsten Wonnen zu erfahren … Beinahe wäre er gegen einen Laternenpfahl gelaufen. Er fühlte sich lüstern wie ein unerfahrener Jüngling. In ihm brannte ein Verlangen, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Ein Verlangen, das er niemals stillen durfte. Joanna Ware war tabu für ihn. Er mochte sie noch nicht einmal. Außerdem war er ein Mann, der seine körperlichen Bedürfnisse strikt unter Kontrolle hielt und emotionale nie empfunden hatte. Seit Amelias Tod hatte er es so gehalten, und er hatte nicht vor, daran etwas zu ändern.
Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte, obwohl er den Erinnerungen und den Schuldgefühlen wegen des Todes seiner Frau niemals entkommen könnte. Vor den Geistern, die ihn verfolgten, gab es kein Entrinnen. Plötzlich und aus unerfindlichem Grund sah er auch David Wares letzte Worte in einem anderen Licht:
„Joanna … der Teufel soll sie holen.“
Warum um alles in der Welt hatte Ware eine so starke Abneigung gegen seine Frau empfunden? Nein, Abneigung war ein zu mildes Wort dafür. Einen solchen Hass … Alex hob die Schultern und versuchte, die Angelegenheit abzuhaken. Er hatte seine Pflicht erfüllt. Er hatte der nicht gerade trauernden Witwe seine Aufwartung gemacht und darüber hinaus Wares Anwalt einen Brief übergeben, den David ihm kurz vor seinem Tod anvertraut hatte. Die Sache war abgeschlossen, er war seinen Verpflichtungen nachgekommen. Jetzt wollte er sich in sein Hotel zurückziehen und warten, bis die Admiralität ihm mitteilte, wohin er als Nächstes abkommandiert würde. Hoffentlich ließ man ihn nicht zu lange warten. Im Gegensatz zu den meisten Offizieren, die ihren Kurzurlaub genossen, hatte er es eilig, wieder von hier fortzukommen. London im Mai war voller Verheißungen auf den Sommer, dennoch hielt ihn nichts an diesem Ort. Vielleicht war die Stadt mit zu vielen Erinnerungen behaftet. Vielleicht war er zu lange fort gewesen, um sich in England noch zu Hause fühlen zu können. In Wirklichkeit jedoch hatte er gar kein Zuhause. Er hatte keines gewollt, seit sieben Jahren nicht – bis er Joanna Wares Bibliothek betreten und dieses Gefühl von Wärme und Heimat empfunden hatte. Doch solch häusliche Behaglichkeit konnte es für ihn niemals geben.
„Alex!“, rief jemand auf der anderen Straßenseite. Alex drehte sich um und sah einen großen blonden und außerordentlich attraktiven jungen Mann, der sich durch den Strom von Fußgängern und Kutschen kämpfte. Trotz seiner Jugend strahlte er eine große Selbstsicherheit aus und zog die unverhohlen bewundernden Blicke aller Frauen auf
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