Der Heilige Krieg
Unterlagen, die man im Gebäude gefunden hatte. Zurück blieben fünf tote Unterstützer Bin Ladens sowie drei seiner Ehefrauen und neun Kinder. Die Hubschrauber flogen nun zurück nach Dschalalabad in Afghanistan, von wo sie gestartet waren. Dort wartete ein Flugzeug, das den Leichnam Bin Ladens auf den Flugzeugträger »Carl Vinson« bringen würde. An Bord des Schiffes entnahmen bereitstehende Spezialisten DNA-Proben des Körpers, um ihn definitiv zu identifizieren. Zwölf Stunden nach seinem Tod wurde Bin Laden nach islamischem Ritual zur Bestattung vorbereitet und schließlich auf See beigesetzt. Amerika wollte kein Grab, das irgendwann zum Wallfahrtsort für Anhänger des toten »Terrorfürsten« werden könnte.
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»Geronimo! EKIA!« Im Lagezentrum des Weißen Hauses werden Präsident Obama und sein Sicherheitsstab Zeugen von Bin Ladens Tod.
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Das Schlafzimmer Bin Ladens – erste Fernsehbilder zeigen den Ort, an dem er am 2. Mai 2011 erschossen wurde.
Kurz nach dem Triumph Amerikas wurde bekannt, das die Aktion gegen den »Staatsfeind Nr. 1« langfristig vorbereitet worden war. US-Geheimdienste hatten sich 2007 an die Fersen eines Pakistaners geheftet, der aufgrund von Verhören gefangener Al-Qaida-Mitglieder als Kurier Bin Ladens galt. Seit 2009 wussten die Amerikaner, dass er sich in Pakistan aufhielt, und überwachten seine Bewegungen. Ein abgehörtes Telefonat bestätigte schließlich, dass die CIA eine heiße Spur hatte. Die führte im August 2010 zu einem großen Haus in Abbottabad, das der Mann seit Jahren gemietet hatte. Abbottabad, 80 Kilometer nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gelegen, ist Standort der pakistanischen Militärakademie und gilt als angenehmer Wohnort, an dem viele hochrangige Veteranen der pakistanischen Armee einen beschaulichen Lebensabend verbringen. Der sollte Osama bin Laden nicht vergönnt sein: Ein verdecktes Team der CIA bezog einen Beobachtungsposten in Abbottabad und ließ das große Haus am Rande der Stadt fortan nicht mehr aus den Augen. Außerdem machten Spionagesatelliten präzise Fotos, Drohnen sollten elektronische Signale aus dem Haus orten – vergeblich, denn das Anwesen hatte weder Telefon- noch Internetanschlüsse. Obwohl Bin Laden nie direkt gesehen wurde, beurteilte die CIA die Chance, dass er sich in dem Gebäudekomplex aufhielt, auf 60 bis 80 Prozent. Seit Februar 2011 lief die Planung für einen Angriff auf das Haus in Abbottabad. Präsident Obama lehnte es ab, das Ziel mit Drohnen und Raketen zu attackieren, denn im Schutt einer Ruine würde man nie Klarheit bekommen, ob Bin Laden wirklich dort gewesen und getötet worden war. Stattdessen sollten US-Soldaten direkt angreifen und in einer riskanten Operation für absolute Klarheit sorgen. Am 29. April 2011 gab der Präsident den Befehl zum Zugriff. 48 Stunden später hatten die Navy Seals die »Operation Geronimo« erfolgreich beendet: Osama bin Laden war tot.
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Jubel in den USA – Bin Ladens Tod ist ein später Triumph für eine verunsicherte Nation.
Während sich der US-Präsident demonstrativ jeder triumphalen Geste enthielt, sammelten sich vor dem Weißen Haus in Washington und auf dem Times Square in New York jubelnde Menschen: Zumeist waren es Jugendliche oder hyperpatriotische Studenten, die lauthals »USA, USA!« skandierten. In der arabischen Welt löste der Tod Bin Ladens kaum eine nennenswerte Reaktion aus. Aus Pakistan erfolgte eine heftige rhetorische Abwehr westlicher Vorwürfe, denen zufolge gewisse Kreise wissentlich den Terrorchef in ihrem Land geduldet hätten. Außerdem entrüstete sich die pakistanische Öffentlichkeit über die Missachtung der Souveränität des Landes durch das US-Kommando. Weltweit rätselten die Medien tagelang über die Hintergründe und den Ablauf der Aktion. Und es war eine viel weiter gehende Frage zu beantworten: Was bedeutet das Ende Bin Ladens für die Zukunft Al-Qaidas und die globale Sicherheit? »Die Planer und Operationschefs des Netzwerks haben den Terror in den vergangenen Jahren fortgeführt – wahrscheinlich ohne jeglichen Einfluss Bin Ladens. Auch die Regionalorganisationen erledigen ihre terroristischen Aktivitäten im Irak, in Jemen oder Algerien weitgehend unabhängig. Eine Bedrohung, auch für Deutschland und andere westliche Staaten, bleibt also auch nach dem Tod Bin Ladens. Langfristig aber bedeutet der Ausfall Bin Ladens eine Riesenschwächung für Al-Qaida. Solange er sich den Amerikanern
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