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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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verstümmelten Leichen hielt ein Funkgerät in der Hand. Der CIA-Mann, der es aufnahm, war des Arabischen mächtig. Er stellte fest, dass es eingeschaltet und auf die Frequenz der Al-Qaida-Kämpfer eingestellt war. Er konnte mithören, was der Feind besprach. Und bald darauf erkannte er eine Stimme, die er auf Dutzenden von Tonbändern gehört hatte. Keine Frage – das war Bin Laden. In den folgenden Tagen hörten die Amerikaner mit, wenn Bin Laden und seine Resttruppe sich über Funk verständigten. Die US-Teams wussten nun, dass sie ganz nah am Drahtzieher des 11. September dran waren. CIA Commander Gary Berntsen wollte handeln – er
kontaktierte die CIA-Zentrale in Langley, Virginia, und forderte US-Bodentruppen an. 800 sogenannte »Rangers« – also Spezialeinheiten – würden reichen, so hoffte er, um in der Bergregion die wenigen begehbaren Pässe abzuriegeln. Dann hätte man Bin Laden in der Falle. Derweil wurden die pausenlosen Luftangriffe auf die Bergregion Tora Bora fortgesetzt. Sogar eine der wenigen verfügbaren riesigen »Daisy-Cutter«-Bomben wurde auf das vermutete Versteck Bin Ladens abgeworfen. Der Kommandeur des US Central Command für Asien und den Nahen Osten, General Tommy Franks, berichtete Präsident Bush, dass man Bin Laden in Tora Bora vermute. Doch am 10. Dezember teilte der Chef des Special Operations Command, General Dell L. Dailey, dem CIA-Mann Berntsen mit, dass keine US-Truppen zum Einsatz kommen würden. »Man brauchte kein großer Militärstratege zu sein, um zu erkennen, dass Bin Laden nach einem Schlupfloch suchte und dass er es durchaus schaffen konnte. Der Weg von Tora Bora bis nach Pakistan war in einer 24-stündigen Kletterpartie durch die Weißen Berge zu bewältigen. Dennoch ignorierte das Zentralkommando meine Anforderung von 800 US-Soldaten«, schreibt Berntsen in seinen Erinnerungen. Die offizielle Begründung des US-Oberkommandos: Man wolle die afghanischen Alliierten nicht verärgern. Sie sollten die Pässe abriegeln und dafür entlohnt werden. »Ich wusste, dass unsere Verbündeten gerne unser Geld annahmen – und Al-Qaida dann entkommen lassen würden«, schreibt Berntsen. »In meinen Berichten gab ich unmissverständlich zu verstehen, dass unsere Verbündeten nicht besonders bemüht waren, Al-Qaida in Tora Bora zu schnappen.« Berntsen konstatiert, dass Bin Laden und seine Araber den afghanischen Hilfstruppen einfach mehr Geld geboten hätten als die Amerikaner. Am 15. Dezember hörten Berntsens Leute Bin Laden zum letzten Mal über das Funkgerät. Danach, so Berntsen in seinem Buch J awbreaker , sei die Al-Qaida-Führungsriege nach Pakistan und in paschtunisches Stammesgebiet entkommen. Geführt hätten sie afghanische Paschtunen, die von Bin Laden großzügig entlohnt worden seien. Im Widerspruch zu zahlreichen US-Antiterrorexperten bestreitet der damals führende US-Militär, General Tommy Franks, noch heute, dass man Osama bin Laden jemals so nahe gekommen sei, wie Berntsen behauptet. Unbestritten jedoch ist, dass es Amerika Ende 2001 nicht gelang, seinen Staatsfeind Nr. 1 zu fassen. Zwar konnte er sich retten, aber er verlor die Operationsbasis Afghanistan, in der er nach Belieben schalten und walten konnte.
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    Ex-CIA-Mann Gary Berntsen behauptete, Bin Laden auf den Fersen gewesen zu sein.

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    In Tora Bora finden die Jäger Bin Ladens nur Munitionsvorräte – die afghanischen Verbündeten der Amerikaner können den Terrorchef nicht fassen.
    Seit Dezember 2001 war Bin Laden verschwunden. Für seine Ergreifung stellte Amerika ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar in Aussicht. Der Gesuchte ließ auch nach seinem Abtauchen in zahlreichen Videobotschaften
von sich hören. Experten analysierten die Bilder und bestätigten durchweg, dass der Mann, der dort sprach, der wahre Osama bin Laden sei. Anlässe hatte der Terrorchef reichlich, um sich zu Wort zu melden. Etwa im Jahr 2003, als der von Präsident George W. Bush ausgerufene »Krieg gegen den Terror« eine merkwürdige neue Wendung nahm. Bush konzentrierte sich nicht mehr ausschließlich auf die Gefahr, die von islamistischen Terrorgruppen ausging. Stattdessen suchte er sich nun einen Gegner, der mit dem Terrornetzwerk Osama bin Ladens nichts zu tun hatte: Iraks Diktator Saddam Hussein. Im März 2003 ließ Bush seine »Koalition der Willigen« unter US-Führung völkerrechtswidrig den Irak angreifen. Nun schien sich zu erfüllen, was Bin Laden sich immer gewünscht hatte: Die USA

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