Der heimliche Rebell
Telemedia arbeite. Sie haben ferner darauf hingewiesen, daß ich als Direktor von Telemedia mehr und nicht weniger Unabhängigkeit haben würde.“
Er hielt inne und überlegte angestrengt, wie er fortfahren sollte.
„Andererseits“, sagte er, und dann waren die dreißig Sekunden um. Er wartete, bis die mechanische Stimme am anderen Ende der Leitung ihre Litanei erneut heruntergebetet hatte, und fuhr dann fort: „Meine Agentur habe ich immerhin mit meinen eigenen Händen aufgebaut. Ich bin frei, sie jederzeit zu verändern. Ich habe die völlige Kontrolle über sie. T-M dagegen ist unpersönlich. Niemand kann einem solchen Apparat wirklich etwas aufzwingen. T-M ist wie ein Gletscher.“
Das hörte sich in seinen Ohren schrecklich an, aber da es nun einmal auf Band war, konnte er die Worte nicht unausgesprochen machen. Er schloß: „Mrs. Frost, ich fürchte, daß ich Zeit brauchen werde, um die ganze Angelegenheit in Ruhe zu durchdenken. Ich begreife durchaus, daß ich Sie dadurch in eine unangenehme Lage bringe, und es tut mir wirklich aufrichtig leid. Aber ich fürchte, dieser Aufschub ist absolut unvermeidbar, wirklich. Ich werde versuchen, binnen einer Woche eine Antwort parat zu haben, und bitte glauben Sie nicht, ich wolle Sie bloß hinhalten. Ich bin echt ins Schwimmen geraten. Hier spricht Allen Purcell.“
Er unterbrach die Verbindung, lehnte sich zurück und brütete vor sich hin.
Hier, in seinem Büro, schien die Statue von Major Streiter fern und wenig überzeugend. Er hatte genau ein Problem: seinen zukünftigen Job. Entweder blieb er in seiner Agentur, oder er kletterte ein Stockwerk höher zu T-M. So formuliert klang sein Problem ganz einfach. Er kramte eine Münze hervor und ließ sie über die Schreibtischkante rollen. Wenn nötig, konnte er die Entscheidung ja auch dem Zufall überlassen.
Die Tür ging auf, und Doris, seine Sekretärin, trat ein. „Guten Morgen“, sagte sie strahlend, „Fred Luddy hätte gerne ein Empfehlungsschreiben von Ihnen. Seinen Scheck haben wir ihm schon ausgestellt. Zwei Wochen, plus das, was wir ihm ohnehin schuldeten.“ Sie nahm ihm gegenüber Platz, Stenoblock und Bleistift bereit. „Möchten Sie gleich einen entsprechenden Text diktieren?“
„Das ist schwer zu sagen.“ Er wollte schon, weil er Luddy mochte und darauf hoffte, daß er bald wieder einen halbwegs passablen Job fand. Aber gleichzeitig kam er sich albern dabei vor, ein Empfehlungsschreiben für einen Mann aufzusetzen, den er wegen mangelnder Loyalität und Aufrichtigkeit – im MoResischen Sinne – gefeuert hatte. „Vielleicht muß ich darüber auch erst mal in Ruhe nachdenken.“
Doris erhob sich. „Ich werde ihm sagen, Sie seien im Moment zu beschäftigt. Sie würden sich später darum kümmern.“
Erleichtert ließ er sie mit dieser Geschichte gehen. Jetzt, in diesem Augenblick, schien es ihm unmöglich, eine Entscheidung zu fallen, in welcher Angelegenheit auch immer. Seine Probleme, egal ob groß oder klein, kreisten hoch droben in olympischen Gefilden; sie ließen sich nicht auf die Erde herunterholen.
Wenigstens hatte die Polizei seine Spur noch nicht aufgenommen. Er war sich einigermaßen sicher, daß Mrs. Birminghams Pimpf keinerlei Informationen über die Episode im Park besaß. Morgen, um neun Uhr in der Frühe, würde er es herausfinden. Aber er machte sich keine Sorgen. Der Gedanke, daß die Polizei plötzlich hereinplatzen könnte, um ihn zu verhaften und zur Deportation abzutransportieren, war absurd. Sein wirkliches Problem war der Job – und er selbst.
Er hatte dem Mädchen erzählt, er brauche Hilfe, und er brauchte wirklich welche. Nicht, weil er die Statue geschändet hatte, sondern weil er sie geschändet hatte, ohne zu begreifen, warum. Seltsam, daß das Gehirn eigenständig arbeiten konnte, ohne ihm seine Ziele und Gründe zu offenbaren. Aber das Gehirn war ein Organ wie die Milz, das Herz oder die Nieren, und diese gingen ja auch unverdrossen ihren eigenen Tätigkeiten nach. Warum dann also nicht auch das Gehirn? Wenn man das Problem auf diese Weise logisch durchdachte, verflüchtigte sich das Odium des Phantastischen und Absonderlichen rasch.
Aber trotzdem mußte er immer noch herausfinden, was da eigentlich vor sich ging.
Er griff in seine Brieftasche und holte den Zettel heraus. In der ordentlichen Handschrift einer Frau standen darauf drei Worte.
Zuflucht
Gretchen Malparto
Also war der Name des Mädchens Gretchen. Und wie er vermutet hatte,
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