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Der heimliche Rebell

Der heimliche Rebell

Titel: Der heimliche Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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meinen Rücktritt einzureichen?“
    „Dann“, sagte sie, während sie ihm ruhig ins Gesicht schaute, „werden wir Sie aus dem Amt entlassen.“
    „Und zwar wann?“
    Jetzt geriet sie zum erstenmal ein wenig ins Wanken. „Mrs. Hoyt wird ihre Zustimmung erteilen müssen. Außerdem ist allerdings…“
    „Außerdem ist allerdings“, sagte er, „ein Beschluß des Gesamtkomitees vonnöten. Mein Mietkontrakt hat noch bis zum sechsten Bestand, und so lange wird es auch wenigstens dauern, bis Sie mich auf legalem Wege aus T-M hinausbefördern können. In der Zwischenzeit bin ich immer noch Direktor. Wenn Sie mich brauchen, können Sie mich hier in meinem Büro erreichen.“
    „Ist das Ihr Ernst?“ sagte sie mit unnatürlicher Stimme.
    „Und ob“, sagte Allen. „Hat es so etwas vorher schon einmal gegeben?“
    „N-nein.“
    „Ich hatte es auch nicht angenommen.“ Er hob einige Papiere vom Schreibtisch auf und begann sie zu studieren; in der Zeit, die ihm blieb, war eine Menge Arbeit zu tun.

 
20
     
    Ganz allein, erkundete Mr. Wales sein neues Apartment in Wohneinheit R6 der Mietzone 28. Ein lebenslang gehegter Traum hatte sich erfüllt. Er war dem omphalos nicht nur eine, sondern gleich zwei Zonen nähergekommen. Die Wohnungsbehörde hatte seine Eingabe geprüft und die schiere Tugendhaftigkeit seines Lebens erkannt, seine vollkommene Hingabe an das öffentliche Wohl.
    Im ganzen Raum streifte Mr. Wales umher, berührte zaghaft die Wände und den Boden, lugte aus dem Fenster, inspizierte ehrfürchtig den Wandschrank. Er ließ seine Hände über den Herd gleiten, unfähig, seinen Zugewinn zu fassen. Die Vormieter hatten sogar ihre Pädofaktur-Stücke zurückgelassen: Uhr, Rasierer, elektrische Haushaltsgeräte.
    Mr. Wales kam es unglaublich vor, daß seine unbedeutende Person Anerkennung gefunden hatte. Eingaben lagen in meterhohen Stapeln auf den Schreibtischen der Wohnungsbehörde. Bestimmt gab es einen Gott. Bestimmt bewies das hier, daß die Milden und Sanftmütigen, die Bescheidenen am Ende doch den Sieg davontragen würden.
    Schließlich ließ Mr. Wales sich auf einen Stuhl sinken, öffnete ein Päckchen und holte eine Vase heraus. Er hatte sie als Geschenk für seine Frau besorgt, als Präsent zur Feier des Tages. Die Vase war grün und blau und mit Licht gesprenkelt. Mr. Wales drehte sie hin und her, blies auf die glatte, polierte Oberfläche, hielt sie fest in seinen Händen.
    Dann dachte er an Mr. Purcell. Er erinnerte sich an all die Male, da Mr. Purcell in den wöchentlichen Blockversammlungen für die Opfer eingetreten war. All die gütigen Worte, die er zu ihrer Verteidigung gefunden hatte. Die Ermutigung, die er den Gepeinigten in der Stunde ihrer Heimsuchung gegeben hatte.
    Mr. Wales dachte daran, wie Mr. Purcell ausgesehen haben mußte, als er während der letzten Blockversammlung auf dem Arme-Sünder-Podest gestanden hatte. Die Hunde, die an ihm rissen. Die Kanaillen, die mit Zähnen und Klauen an seiner Kehle hingen.
    Plötzlich schrie Mr. Wales: „Ich habe ihn verraten! Ich habe zugelassen, daß sie ihn kreuzigten!“
    Voller Qual wiegte er sich vor und zurück. Dann sprang er hoch und schleuderte die Vase gegen die Wand. Die Vase zerbarst, und Splitter grün und blau gesprenkelten Lichts tanzten um ihn herum.
    „Ich bin ein Judas“, sagte Mr. Wales zu sich selbst. Er bedeckte seine Augen mit den Fingern, damit er nicht länger das Apartment sehen mußte. Er haßte das Apartment. Jetzt hatte er, was er sich immer gewünscht hatte, und jetzt wollte er es nicht mehr haben.
    „Ich hab’s mir anders überlegt!“ rief er. Aber niemand hörte ihn. „Ihr könnt es zurückhaben!“
    Der Raum schwieg.
    „Geh weg!“ schrie Mr. Wales.
    Er öffnete die Augen. Der Raum war immer noch da. Er antwortete nicht; er ging nicht weg.
    Mr. Wales begann, die Scherben der Vase aufzusammeln. Die Glasstückchen zerschnitten seine Finger. Er war froh.

 
21
     
    Am nächsten Morgen erschien Allen pünktlich um acht Uhr in seinem Büro im Telemedia-Gebäude. Als sich die Mitglieder seines Stabes zur Arbeit einfanden, rief er sie in sein Büro, bis alle dreiunddreißig beisammen waren. Die Hunderte von einfachen Bediensteten machten überall im Gebäude an ihren Tischen weiter, während Allen zu ihren Abteilungsleitern sprach.
    „Gestern hat man mich zum Rücktritt aufgefordert. Dieser Schritt steht in engem Zusammenhang mit dem Spektakel, das sich hier am Montagnachmittag ereignet hat. Ich bin der

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