Der heimliche Rebell
hinunter und quer durch den menschengefüllten Raum zu dem Tisch, wo seine Frau saß.
„Komm“, sagte er zu ihr. „Wir können ebensogut gehen.“
Als die beiden sich hinausdrängten, hörten sie Mrs. Birmingham mit leiernder Stimme zur nächsten Anklage übergehen.
„Zur Verhandlung steht jetzt der Fall des R. P. eines Jungen von neun Jahren, der, wie bezeugt ist, willentlich und wissentlich am Morgen des 21. Oktober 2114 gewisse obszöne Worte auf die Wand des Gemeinschaftswaschraumes im zweiten Stock dieser Wohneinheit gekritzelt hat.“
„Tja“, sagte Allen zu seiner Frau, als sich dieTür hinter ihnen schloß, „das war das.“
Sie nickte.
„Wie fühlst du dich?“ fragte er.
„Es kommt mir so unwirklich vor.“
„Es ist wirklich. Wir haben zwei Wochen, um zu verschwinden. Zeitweilige Schwierigkeiten.“ Er schüttelte den Kopf. „Was für eine Travestie.“
Im Korridor drückte sich Mr. Wales herum, eine zusammengefaltete Zeitung unter dem Arm. Sobald er Allen und Janet erblickte, kam er zögernd auf sie zu. „Mr. Purcell.“
Allen blieb stehen. „Hallo, Mr. Wales. Wir haben Sie vermißt.“
„Ich war nicht da drin.“ Mr. Wales wirkte reumütig, schien aber zugleich aufgeblüht zu sein. „Mr. Purcell, mein neuer Mietkontrakt ist durchgekommen. Das ist der Grund, weshalb ich nicht da war; ich gehöre nicht länger dieser Einheit an.“
„Oh“, sagte Allen. Also hatten sie noch nicht mit Drohungen gearbeitet; sie hatten statt dessen einen besseren Mietkontrakt gekauft und ihn Mr. Wales auf den Tisch gelegt. Vermutlich wußte Mr. Wales nicht einmal, was hinter seinem unverhofften Glück steckte; schließlich hatte er seine eigenen Probleme.
„Wie war es da drinnen?“ fragte Mr. Wales. „Jemand hat mir gesagt, Sie seien wieder dran gewesen.“
„War ich“, gab Allen zu.
„Was Ernstes?“ Mr. Wales war sichtlich betroffen.
„Nicht allzu ernst.“ Allen tätschelte beruhigend den Arm des kleinen Mannes. „Jetzt ist alles vorbei.“
„Ich hoffe, daß durch meine Abwesenheit nicht…“
„Es hat nichts ausgemacht. Aber auf jeden Fall: danke.“
Sie schüttelten sich die Hände. „Kommen Sie doch mal vorbei und schauen Sie bei uns rein“, sagte Mr. Wales. „Bei meiner Frau und mir. Wir würden uns freuen, wenn Sie kämen.“
„Okay“, sagte Allen, „das werden wir machen. Falls wir gerade in der Nachbarschaft sind.“
Nachdem er Janet ins Apartment zurückgebracht hatte, marschierte er zu Fuß den langen Weg nach Telemedia und zu seinem neuen Büro. Seine Mitarbeiter verhielten sich betont unauffällig; sie begrüßten ihn gedämpft und kehrten rasch wieder an ihre Arbeit zurück. Seine zweistündige Abwesenheit kündete von der Teilnahme an einer Blockversammlung; sie alle wußten, wo er gewesen war.
In seinem Büro widmete er sich zunächst einer Zusammenfassung des heutigen Arbeitsplans. Das Baum-Paket wurde bereits umgesetzt, und darüber war er froh. Er rief ein paar T-M-Abteilungsleiter zu sich, besprach mit ihnen technische Probleme, saß dann eine Weile allein da, rauchte und sinnierte vor sich hin.
Um elf Uhr dreißig wirbelte munter Sue Frost herein, um ihm einen Besuch abzustatten. Sie trug einen langen Mantel und sah sehr proper und effizient aus.
„Ich will Sie gar nicht lange aufhalten“, kündigte sie an. „Ich weiß, wie beschäftigt Sie sind.“
„Ich sitze nur so ‘rum“, murmelte er. Aber sie fuhr fort: „Wir hatten uns gedacht, daß Sie und Ihre Frau vielleicht Zeit hätten, heute abend. Ich gebe eine kleine Jonglier-Party bei mir daheim, nur ein paar Leute; wir würden uns besonders freuen, wenn Sie beide kämen. Mavis wird da sein, und auch Mrs. Hoyt, und vielleicht…“
Er unterbrach sie. „Sie wollen meinen Rücktritt? Das ist es doch?“
Errötend sagte sie: „Da wir dann ja ohnehin alle beisammen sind, dachte ich, es könnte eine gute Gelegenheit sein, unsere Diskussion über einige der…“
„Ich hätte gern eine klare Antwort“, sagte er.
„Nun gut“, sagte sie, um dann mit angespannter, beherrschter Stimme fortzufahren: „Wir hätten gerne Ihre schriftliche Rücktrittserklärung.“
„Wann?“
„So bald wie möglich.“
Er sagte: „Sie meinen, jetzt?“
Mit nahezu perfekter Gemütsruhe sagte Sue Frost: „Ja. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
„Was ist, wenn es mir doch etwas ausmacht?“
Einen Augenblick lang schien sie nicht zu verstehen.
„Ich meine“, sagte er, „was ist, wenn ich es ablehne,
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