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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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und trotz allem besaß sie eine wohlgerundete Attraktivität.
    Er hatte sich gefragt, als er erfuhr, dass seine Crew aus zwei Männern und zwei Frauen bestehen werde, wie man verhindern konnte, dass sexuelle Spannungen an Bord sich zu einem Problem entwickelten, und während er sich nun Caskie ansah, überlegte er das erneut. Aber er bekam eine Sekunde später die Antwort, und es war dermaßen offensichtlich, dass er sich Vorwürfe machte, es nicht sofort bemerkt zu haben. Die beiden, Caskie und Rennett, waren ein Paar, ein geschlossenes System. An Bord der Tonopah Maru würde es kein Geflirte geben, keine Sexualrivalitäten, um ihm das Leben zu komplizieren.
    Er sagte: »Ich glaube, ihr alle wisst, dass dies meine erste Fahrt ist. Das bedeutet nicht, dass ich keine Ahnung hätte, was Aufgaben und Pflichten eines Kapitäns sind, nur, dass ich sie bisher noch nicht erfüllt habe. Ihr seid eine erfahrene Crew, und es ist bekannt, dass ihr gut zusammen arbeitet, und ich werde mich hüten vorzugeben, dass ich eure Aufgaben besser verstehe als ihr. Wenn ich praktischen Rat brauche und nur theoretisches Material habe, auf das ich mich stützen kann, werde ich mich nicht genieren, euch um eure Hilfe zu bitten. Aber ich möchte euch bitten, zweierlei nicht zu vergessen: Ich lerne sehr rasch, und ich werde es sein, der hinterher vor der Firma geradestehen und Rechenschaft ablegen muss, wenn unsere Leistung der Norm nicht entspricht.«
    »Denkst du, wir würden schludern, bloß weil wir einen neuen Mann im Kommando haben?«, fragte Rennett. Mittelwesten, unverkennbar; er hörte es in der Stimme, an dem trockenen flachen Ton. Aufgewachsen in der Staubschüsselarmut, in übler Giftluft, zwischen zerfallenden Schuppen, zertrümmerten Fenstern, der nie aufhörenden Ungewissheit, woher die nächste Mahlzeit kommen sollte.
    »Das habe ich nicht gesagt. Aber ich will auch nicht, dass ihr euch einredet, dass das hier wegen meiner angeblichen Unerfahrenheit eine weniger gewinnträchtige Fahrt werden wird. Wir werden okay sein. Wir werden unsere Arbeit gut und richtig erledigen und verdammt feine Gratifikationen einstecken, wenn wir wieder in San Francisco zurück sind.« Carpenter setzte ein kurzes höfliches Lächeln auf. »Ich freue mich, euch kennengelernt zu haben, und ich bin verdammt froh, mit einer so tüchtigen Besatzung in See zu gehen. Mehr habe ich euch nicht zu sagen. Wir laufen um 1800 Uhr aus. Abtreten.«
    Er sah, dass die Leute Blicke tauschten, ehe sie aus dem Glied traten, doch er konnte die Mienen nicht interpretieren. Erleichterung, dass der neue Kapitän kein völliger Trottel war? Bestätigung des Verdachts, dass er es eben doch sei? Bildung einer Allianz der echten Arbeiter gegen den verhassten parasitären Elftgradigen?
    Sinnlos, ihre Gedanken lesen zu wollen, sagte er sich. Nimm den Turn Tag um Tag, mach deine Arbeit, lass dich nicht unterkriegen, und alles wird gut laufen.
    Seine erste dienstliche Aufgabe war die Erledigung der offiziellen Auslaufformalitäten beim Hafenkapitän. Er ging in seine Kabine, um sich darum zu kümmern. Er fand sich nur mühsam in den engen, unvertrauten, vollgestopften Räumen unter Deck zurecht, zwischen dem ganzen Material und den Instrumenten und Geräten.
    Als er zum Telefon griff, kam ihm der Gedanke, Nick Rhodes noch einmal zurückzurufen, um dem, was er ihm vorher gesagt hatte, vielleicht ein wenig den Stachel zu nehmen. Es ist ein ganz schön dicker Hund, einem Mann an den Kopf zu knallen, dass die Frau, die er liebt, eine gefährliche Verrückte ist, die über Bord geworfen werden müsste, sogar wenn es der engste Freund ist. Möglich, dass Rhodes gerade jetzt zornig und beleidigt über dies nachgrübelte. Vielleicht wäre es doch besser, man verpasste ihm rückwirkend eine kleine Linderung.
    Nein, dachte er dann. Tu das nicht!
    Er hatte Rhodes die Wahrheit gesagt, wie er sie sah. Falls er sich in Isabelle täuschte – und er glaubte nicht, dass er das tat –, würde Rhodes ihm vergeben, dass er so vorlaut gewesen war. Ihre Freundschaft hatte im Laufe der Jahre weit Schlimmeres überdauert. Sie waren unverbrüchlich an den anderen gebunden, durch die gemeinsame Zeit und Geschichte, und nichts, was sie einander sagten, konnte dieser Bindung je auf Dauer Schaden zufügen.
    Aber dennoch …
    Der arme unglückliche Schwanz. Ein dermaßen liebenswerter, sanftmütiger Kerl, ein so brillanter Mann. Und stets trieb es ihn irgendwie auf Beklemmung und Kummer zu. Er hat etwas

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