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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Besseres im Leben verdient, dachte Carpenter. Aber nein, statt dessen traf er immer wieder Frauen, die mehr waren, als er verkraften kann; und sogar in dem einen Lebensbereich, wo er wirklich genial ist, in seiner Forschungsarbeit, bringt er es jetzt fertig, sich durch leidvoll selbstproduzierte moralische Bedenken aufs heftigste lustvoll zu quälen. Kein Wunder, dass er so viel trinkt. Wenigstens verstrickte ihn die Flasche nicht in philosophische Streitgespräche. Sie bot ihm einfach einen kleinen Trost, für eine, zwei Stunden. Carpenter fragte sich besorgt, was werden sollte, wenn bei Rhodes auch die Kontrolle über das Trinken verloren ging und die Droge den Bereich zu unterminieren begann, in dem sein Leben bislang noch funktionierte.
    Ein schwieriger Fall, dachte er traurig.
    Aber es ist doch besser, ihn jetzt nicht noch einmal anzurufen.
    »Büro des Hafenmeisters«, sagte die Androidenstimme aus dem Visor.
    »Hier ist Captain Carpenter von der Tonopah Maru «, sagte er. »Erbitte Clearance zum Auslaufen um achtzehn-null-null Uhr …«

Kapitel 11
     
    Enron sagte: »Wunderschön wohnst du hier. Ist es sehr alt?«
    »Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts«, antwortete ihm Jolanda Bermudez. »Es ist alt, aber nicht echt antik. Nicht wie in der Alten Welt, wo alles fünftausend Jahre alt ist. Gefällt es dir?«
    »Wunderschön, ja. Ein hübsches, gemütliches Häuschen.«
    Und dies war es, gewissermaßen, dachte Enron. Ein kleines klapperiges Haus an einer engen gewundenen Straße hoch oben am Hang, nicht weit nördlich vom Campus der Universität. Es besaß eindeutig Charme, kleine Terrassen und komische vorspringende Fenster und die gezackten Filigrane der wie ausgesägt wirkenden Zierleisten an der Dachkontur. Bezaubernd, doch, obwohl der Anstrich pockennarbig und abgesplittert war von dem unausgesetzten Angriff der chemiebeladenen Luft und die Fenster aus denselben Gründen so verkommen aussahen, dass sie beinahe schon wie getönte Scheiben wirkten, und die Terrassen und Balkone hingen durch und schief, die Holzschindeln waren teilweise abgefallen, und der Vorgarten war ein schamloses Durcheinander von vertrocknetem knotigen Unkraut.
    Es war der dritte Abend seit einer Woche, dass Enron sich mit Jolanda getroffen hatte; doch in ihr Haus hatte sie ihn bisher noch nicht eingeladen; sie hatte es vorgezogen, mit ihm in sein Hotel in der Stadt zu gehen. Die kleine Affäre mit ihr hatte viel dazu beigetragen, ihm diese Woche in den USA angenehm zu machen. Selbstverständlich musste Jolanda ihn nach längerer Zeit anöden. Aber er gedachte ja nicht, sie zu heiraten, und außerdem würde er sowieso sehr bald nach Israel zurückkehren. Und für die kurze Zeit hier war sie genau, was ihm hier gut tat, eine keine Ansprüche stellende Begleitung und im Bett ein nachgiebig-williger, eifriger Spielgefährte; außerdem bestand ja da immer noch die Möglichkeit, dass er etwas Brauchbares von ihr erfahren könnte – auf diesem sonst weitgehend vergeblichen Trip. Eine schwache Chance, aber es gab sie.
    »Also, wollen wir nicht reingehen? Ich brenne darauf zu hören, was du von meinen Arbeiten hältst.«
    Sie ist wie ein großer aufdringlicher Hund, dachte er. Nicht besonders klug, nein, eigentlich überhaupt nicht intelligent, aber ungeheuer freundlich und lebhaft und ein guter Kumpel für eine ausgelassene Rangelei. Eine warmherzige, unkomplizierte Person. Ganz anders als die meisten dieser kalkulierenden scharfkantigen, scharfäugigen Frauen in Israel, wie er sie kannte, die stolz behaupteten, absolut klar und sauber zu denken, bei denen immer alles in der absolut richtigen Perspektive lief und die es nicht störte, dass dabei ihre Seele zu Eis gefroren war.
    Er folgte ihr durch einen schwach erhellten Vorraum. Es war auch drinnen dunkel und eng und verwirrend: ein dunkel dumpfiges Gewirr von kleinen Zimmern voller Wandteppiche, Skulpturen, Statuetten, Webstücke, messingbeschlagener Truhen, verwirrende Schals, die an Wandhaken hingen, Stammesmasken, Poster, Bücher, afrikanische Speere, Teile einer mittelalterlichen Rüstung aus Japan, aufgerollte Schlingen, von optischen Glasfaserkabeln, Stapel von Datenkuben, geschnitzte Wandschirme, Glocken, alte, mit farbigem Wachs geschmückte Weinflaschen, irisierende Hologrammbänder, von Wand zu Wand gespannt, seltsame Keramikstücke von rätselhafter Funktion, antike Kleidungsstücke, neckisch überall verstreut, Vogelkäfige mit echten lebenden Tieren darin, Visoren, auf denen

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