Der Held und die Feuergöttin
seinen Fall aufgefangen hatte, bevor es zu spät war. Doch unter der Leiste waren nichts als Schwärze und das vage Leuchten der vom Wasser widergespiegelten flüssigen Glut. Mythor rief den Namen des Unglücklichen. In diesen Augenblicken scherte er sich nicht um das, was den Berg und die Lüfte bevölkerte.
Er erhielt keine Antwort.
Niedergeschlagen richtete er sich auf und nahm das Seil von der Schulter. Selbstvorwürfe quälten ihn, und wäre er einer der abergläubischen Tau gewesen, so hätte er Oniaks Tod nun als böses Omen gewertet.
Schon einmal hatte er tatenlos zusehen müssen, wie sich ein Verzweifelter das Leben nahm. Doch Gapolo ze Chianez starb mit der Hoffnung, durch seinen Tod doch noch ins Reich der Heroen eingehen zu können. Oniak mochte von ähnlichen Sehnsüchten getrieben worden sein, aber das war nichts, mit dem Mythor sich trösten konnte.
Er begann diese Welt ohne Licht zu hassen. In Logghard hatte er die wahre Bedeutung des Vermächtnisses des Lichtboten erfahren. Er hatte gelernt, daß nicht Waffen und Waffengewalt die Welt vor dem Untergang bewahren konnten, daß nicht der stärkere Schwertarm über den Wert eines Menschen entschied. Er hatte einen Einblick erhalten in die tiefere Natur der Dinge. Und nun schien es, als würde all dies hier völlig gegenstandslos. Er mußte töten, um zu leben, und er haßte es!
Das Dämonenreich der Inselbewohner war zweifellos identisch mit der Schattenzone. Aber gehörte die Dämmerzone zur Nord- oder zur Südhälfte der Welt? Was lag hinter der Großen Barriere? Kannte man dort die Legende vom Sohn des Kometen, oder eine andere - die von der Tochter des Kometen?
Von Fronja…
Mythor wischte die Gedanken beiseite. Grimmige Entschlossenheit trat in seine Züge, als er das Ende des Seiles mit dem daran festgeknoteten, zwei Fuß langen Stab in die Rechte nahm, die Entfernung zur Öffnung im Berg sorgsam abschätzte und das Seil schleuderte. Im Flug rollte es sich auf, doch der Stab schlug fünf Fuß unter der Höhle gegen die Wand.
Mythor fluchte und holte den Strick ein. Zwei weitere Versuche schlugen ebenso fehl wie der erste. Erst beim viertenmal hatte er Erfolg. Der Stab verfing sich hinter zwei großen Steinen. Mythor zog am Seil, bis er glaubte, daß es fest genug verankert war, um sein Gewicht zu tragen.
»Du sollst nicht umsonst gestorben sein, Oniak«, murmelte er, als er den Strick fest um sein Handgelenk wickelte.
Er dachte nicht an blutige Rache. Ein Unrecht machte das andere nicht gut. Doch sollte Oniak mit seinen düsteren Prophezeiungen recht behalten, so würde Mythor alles geben, um das Inselreich vor dem Zugriff der Dämonen aus der Schattenzone zu bewahren, notfalls sogar sein Leben.
Und dieser Gedanke war doppelt bitter, nun, wo er Fronja näher zu sein glaubte als jemals zuvor - oder ferner.
Oniak hatte sein Leben gegeben, um Mythor zu retten. Und auch das war ihm Verpflichtung.
So vieles strömte von allen Seiten auf ihn ein, daß ihn fast schwindelte. Mythor biß die Zähne aufeinander, holte tief Luft und stieß sich von der Leiste ab.
*
Für zwei, drei Herzschläge fiel er wie ein Stein. Unter ihm wälzte sich die Lava bergab, zu seinen Seiten war nichts als Schwärze, und vor ihm die Wand. Angst griff nach ihm, Angst davor, daß das Seil zu schwach, der Stab nicht gut genug verankert war, um den Ruck auszuhalten, der ihm im nächsten Augenblick die Arme aus dem Leib zu reißen drohte. Mythor schrie heiser auf, kämpfte gegen den rasenden Schmerz in seinen Schultern und den Armen, und schwang wie an einem langen Pendel vor der Felswand hin und her. Doch das Seil hielt. Dort, wo er es sich ums Handgelenk geschlungen hatte, war die Haut aufgerissen. Er griff mit der anderen Hand darüber und hielt sich verzweifelt fest. Mit weit vorgestreckten Beinen versuchte er, die Felswand zu erreichen, doch mußte er sich noch einige Male weit hin und her schwingen lassen, bis seine Füße endlich den Berg berührten. Er stemmte sie in die der Pendelbewegung entgegengesetzte Richtung, zog sie zurück, wartete und stieß sie erneut vor. Seine Hände brannten, und als er endlich ruhig am Seil hing, glaubte er nicht mehr daran, die Kraft zu finden, um daran hochzuklettern.
Dann sah er wieder Oniak vor sich, wie er ängstlich in die Tiefe starrte; Oniak, wie er ihn aus seinen unergründlichen Augen traurig und mutlos anblickte.
»Du bist mir ein feiner Held, Honga«, knurrte er. »Wenn Kauna dich nur so sehen könnte,
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