Der Held und die Feuergöttin
Schauder über den Rücken. Er zauderte nicht länger. Oniak war vielleicht nicht tot, doch der Sprung in den Abgrund schien nun plötzlich ein gnädigeres Schicksal gegenüber dem zu sein, was ihn in der Gewalt seiner Entführer erwarten mochte.
Grimmig schritt Mythor aus, und als er die dunkle Höhle durchquert hatte, sah er den Stollen vor sich. Als ob das Gläserne Schwert seine Nöte kannte, verstärkte sich sein Leuchten, dessen Widerschein gespenstisch wandernde Schatten auf die Wände des steil abwärts in den Berg führenden Ganges zauberte.
Seltsamerweise war es hier nicht ganz so schwülwarm wie draußen, obwohl der Fels heiß war. Auch die Luft war atembar. Ab und an spürte Mythor einen leichten Zug, was darauf hindeutete, daß der Berg hier unter dem Gipfel von einem ganzen Gewirr von Gängen und Höhlen durchzogen war. Etwas schien die Hitze der brodelnden Lava nach unten zu drücken. Manchmal glaubte Mythor ein Zischen zu hören. Dann schwankte der Fels leicht unter seinen geschützten Füßen.
Er ließ sich nicht mehr davon schrecken. Er ging weiter, Alton fest umklammert. Der Stollen war breit und hoch genug für drei, vier Männer.
Dann fand Mythor den zweiten Fetzen. Und dieser war noch naß von Blut.
*
Unterdessen hatten Nura, Kauna und die achtzehn Tau-Krieger in der kleinen Höhle knapp unterhalb der Spitze des Drachenfelsens Schutz vor erwarteten neuen Ausbrüchen des Vulkans gesucht. Es war jene Höhle, dem Ringsee um dem Berg zugewandt, aus der die Männer die Fischhäute und Holzstäbe für das Drachengestell geholt hatten, die Tiersehnen und die Seile. Sie mußten sich auf engem Raum zusammendrängen. Nur die Frauen hatten Platz genug, um sich zu bewegen.
Kauna hockte mit versteinertem Gesicht vor dem Eingang und starrte auf die blutrot schimmernde Wasserfläche hinunter. Noch quoll die flüssige Glut aus den Nebenkratern und wälzte sich zischend in den Graben, eine Springflut aus Fischleibern nach der anderen auslösend.
Die Tau bemerkte sehr wohl die prüfenden Blicke der Gefährtin. Doch ihre Gedanken waren bei dem Mann, der nun auf dem Weg zu Ramoa war. Honga und Oniak hatten den Gipfel erreicht und den Drachen weisungsgemäß dort verankert. Die Winde war zurückgedreht worden, bis das Seil sich straffte. Der Gedanke daran, was den Helden dort oben aber erwartete, ließ Kauna schaudern.
»Was war, als du mit Honga allein warst, Kauna?« brach Nura endlich ihr Schweigen.’ Sie flüsterte, so daß die Männer sie kaum verstehen konnten.
Kauna winkte ab, geistesabwesend, ohne die Gefährtin anzublicken.
»Nichts.«
Nura legte eine Hand auf ihre Schulter und schüttelte sie leicht.
»Warum machst du mir etwas vor?« fragte sie. »Seit wann gibt es Geheimnisse zwischen uns?«
»Geheimnisse…?«
Kauna schien aus einer tiefen inneren Versenkung zu erwachen. Ihre Blicke klärten sich. Sie sah Nura in die Augen. Kein Argwohn war darin zu lesen, kein Mißtrauen. Sie beide waren zusammen aufgewachsen, und gemeinsam waren sie von den Weisen Frauen des Stammes unterrichtet worden. Sie hatten am gleichen Tag ihre ersten Versuche auf dem Gebiet der Magie unternommen und waren am gleichen Tag in die Reihen der Frauen aufgenommen worden. Seite an Seite bestanden sie die Prüfungen und taten sich derart hervor, daß sie bald zu den Geadelten Weibern gehörten.
Niemals hatte es ein Geheimnis zwischen ihnen gegeben - bis zur vergangenen Dämmerung.
»Was war, Kauna? Du mußt es mir nicht sagen, wenn du nicht willst. Aber wenn es dich erleichtert, darüber zu reden…«
»Ich habe mit Honga gesprochen«, murmelte Kauna. »Und ich… habe ihm Dinge gestattet, für die ich jeden anderen Mann auf der Stelle getötet hätte.«
Nura forschte nicht weiter. Sie flüsterte nur:
»Er ist nicht wie die anderen. Auch die Stammesmutter spürte das, obgleich sie versuchte, es sich nicht allzu deutlich anmerken zu lassen.«
»Alle wissen es«, meinte Kauna stirnrunzelnd. »Aber was wissen wir, Nura? Er ist Honga, denn er spricht unsere Sprache, und er weiß alles, was Honga je wußte. Aber er hat diesen fremden Körper, der nicht bleich ist wie die anderen. Aus welcher Welt mag er kommen, und was ist noch in ihm aus dieser Welt?«
In der Mann und Frau die Lippen aufeinanderlegen, wenn die Zeit der Paarung gekommen ist. In der es die Männer waren, die sich die Frauen dazu auswählten…
Kauna erschrak nicht mehr bei dem Gedanken. Es war keine Bestürzung, die sie dabei empfand. Es
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