Der Henker von Lemgo
stützte sie sich
an der Lehne ab. Die nadelspitzen Dornen berührten bereits den Stoff ihres
Kleides. Maria brach der Schweiß aus. »Was ist nun, Meister David? Fühlt Ihr
Euch nicht wohl? Wir möchten mit der Tortur beginnen.«
Langsam drehte sich
David um. Schwerfällig kroch ihm sein größer werdender Schatten an der Felswand
voraus. Dann stand er plötzlich vor ihr. Auf seinem muskulösen Körper glänzten
noch die letzten Spuren ihrer leidenschaftlichen Liebe. Er trug keine Maske.
Seine vor Kurzem noch so wilden, zärtlichen und leidenschaftlichen Augen
flackerten seltsam fiebrig. Verzweifelt suchte sie in ihnen nach einem Zeichen.
Wie würde er sich entscheiden? Doch er senkte verlegen den Blick und ließ ihr
keinen Zugang zu seiner Seele. Stattdessen spannten sich die Muskeln unter
seiner Haut und schwollen an wie bei einem Wolf, der zum tödlichen Sprung
ansetzt.
Cothmann bemerkte
das veränderte Verhalten des Henkers nicht. »Ach, und bevor ich es vergesse«,
schnarrte er, »zuerst werdet Ihr der Hexe, wie es vorgeschrieben ist, die Haare
vom Körper entfernen und sie auf Teufelsmale hin untersuchen. Solltet Ihr eines
dieser schwarzen Muttermale entdecken, reißt es ihr mit glühenden Zangen
heraus.« Die tief liegenden Augen des Richters flackerten lüstern. Der bloße
Körper der Hexe war für ihn ein ganz besonderer Genuss. Der Henker blieb stumm.
Vorsichtig hatte
Maria sich aus ihrer unbequemen Stellung erhoben. Ängstlich wich sie vor dem
Knecht zurück, suchte nach Halt, griff ins Leere und taumelte. David fing sie
auf. Für Sekunden spürte sie seine warmen Hände, dann riss ihr der Filler die
Kleider vom Leib. Die Scham brannte wie Feuer, doch Davids Blick lag sanft und
tröstend auf ihr. Er signalisierte: »Hab keine Angst, ich bin bei dir!« Gebannt
hing sie an seinen Augen, suchte in ihnen den rettenden Hafen, die Kraft, um
die Schmach zu überstehen.
Der Richter grinste
und betrachtete ungeniert ihren Körper. Davids Unentschlossenheit reizte ihn,
selbst Hand anzulegen. Er trat nahe an sie heran, um vor den Augen der anderen
mit seinen behandschuhten Fingern ihre Brüste, ihre Hüften und ihren Schoß nach
Teufelszeichen zu untersuchen, während der Knecht brutal ihre Beine spreizte,
heißes flüssiges Wachs über die Schamhaare goss und sie dann schmerzhaft mit
einem Messer herausriss.
»Keine Teufelsmale«,
bemerkte er mit Bedauern, da er um ein besonderes Schauspiel gebracht worden war.
In seinem Gesicht war die Enttäuschung abzulesen. »Waltet jetzt Eures Amtes,
Henker!«, wandte er sich an David.
Das Stehen schien
den Richter ermüdet zu haben. Er zog eine Grimasse und schleppte sich zum
Sessel zurück. Ächzend ließ er sich in den Richterstuhl fallen. Extra für diese
Prozedur hatte er sich den weicheren, bequemeren Lehnstuhl aus dem Rathaus
holen lassen. Ein paarmal rutschte er auf der gepolsterten Sitzfläche hin und
her, dann blickte er zu Krieger und stöhnte leise: »Seid Ihr bereit, das
Protokoll zu schreiben?«
Krieger beobachtete
ihn kritisch. »Sollen wir die Tortur besser verschieben, hoher Richter?«,
fragte er besorgt.
Doch Cothmann winkte
ab. »Es ist nur eine kurze Schwäche, mein Freund. Dem Teufel zu begegnen, fühle
ich mich allemal stark genug.«
»Das Licht ist zu
schwach, um das Protokoll ordnungsgemäß zu führen, hoher Richter«, wandte
Krieger ein und verwies auf die flackernden, bis zur Hälfte heruntergebrannten
Fackeln. »Soll ich noch Talglichter holen lassen?«
»Nicht nötig.« Cothmann
schüttelte den Kopf. »Im Sinne einer zügigen Abwicklung sollte das Licht
ausreichend sein.« Er hatte absichtlich keine Talglichter aufstellen lassen.
»Was Ihr nicht genau erkennt, vermerkt Ihr, wir können es später immer noch
nachtragen.«
Die Ratsherren und
auch Krieger blickten erstaunt auf den Richter. Gerade was die Protokolle und
das Urteil betraf, war Cothmann bisher immer besonders korrekt vorgegangen.
Nicht das kleinste Detail durfte vergessen werden.
Was bewog ihn also
plötzlich dazu, bei der Rampendahl so oberflächlich zu verfahren? Schon lange
waren sie nicht mehr unbedingt einer Meinung mit dem Bürgermeister und
billigten seine Vorgehensweise nicht in jedem Punkt. Doch ein Blick von ihm
genügte, und sie wagten nicht, Kritik zu üben. Der kranke Mann besaß immer noch
zu viel Macht.
Als Marias Haare
Stück für Stück erbarmungslos der Schere des Knechtes zum Opfer fielen und den
Steinboden unter ihr wie ein rotgoldener Teppich bedeckten,
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