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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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zwischen den schlecht befestigten Holzbohlen auf seine Stirn herunterfloss und sich mit dem Blut jener vermischte, die zuvorenthauptet worden waren. Ein Hund rannte herbei und begann Blut zu lecken. Charles versetzte ihm einen wuchtigen Tritt. Das Tier jaulte kurz auf, lief geduckt weg und kam wenig später zurück. Noch nie hatte sich Charles vom Menschengeschlecht so weit entfernt gefühlt: ausgestossen, verachtet, gedemütigt, besudelt vom Blut des Verbrechens und ohne Hoffnung. Er konnte der Hölle nicht entfliehen. Dan-Malis Blut klebte an seinen Schuhen und würde ihn nun auf Schritt und Tritt verfolgen. Erneut tropfte Blut auf seine Stirn herunter. Es war ihm, als würde ihn der Teufel höchstpersönlich taufen. Charles wollte das Blut mit der Hand wegwischen, doch er verschmierte es bloss in seinem Gesicht. Er begann schwer zu atmen. Er stiess sich vom Stützbalken ab und torkelte unter dem Schafott hervor, direkt in die Menge, die sich sogleich teilte, als sie den blutüberströmten Henker sah. Als sich Charles endlich aus der Masse der Menschen auf dem Platz gelöste hatte und die ersten Häuser erreichte, stützte er sich an der ersten Hauswand ab. Dann kämpfte er sich von Haus zu Haus, legte Pausen ein, setzte sich manchmal auf eine Eingangstreppe und raffte sich wieder auf. Es war ihm, als schritte er über den Rücken eines braunen Wals, der nicht ruhig verharren wollte und schaukelnd die Wellen brach, bis die Gischt Charles ins Gesicht schlug. Es hatte zu regnen begonnen. Seine Augen konnten keinen Punkt mehr fixieren. Sie schweiften auseinander und zeigten ihm Doppelbilder, die den Schwindel verstärkten und ihn nachhaltig irritierten. Die Häuser schienen ihm feindlich gesinnt. Sie begannen sich zu wölben, als würden sie allesamt schwanger. Er beschleunigte seinen Schritt, um zu verhindern, dass er hinfiel. Und strauchelte doch.
    Im Morgengrauen sass Charles am Ufer der Seine. Das Blut war getrocknet. Ein Kahn brachte Waren in die Stadt. Am gegenüberliegenden Ufer erwachte Paris. Händler zogen Handkarren oder trieben ihre abgehalfterten Ackergäule mit frischer Ware auf die Marktplätze. Charles nahm einen Stein in die Hand und drückte ihn fest. Er hatte den Eindruck, als würde der Stein in seiner Hand weich und nachgiebig wie ein Schwamm. Doch der Stein veränderte seine Form nicht. Charles’ Kiefer verspannte sich, die Zähne knirschten. Er spürte die eiserne Klammer, die wie die Lünette der Guillotine nach seinem Nacken schnappte. Ich erstarre, dachte Charles. Ich werde zur Strafe jahrhundertelang hier als Arm der Guillotine verharren, und nur mein Gehirn wird noch arbeiten, damit es mich quälen kann.
    »Monsieur de Paris!«
    »Vater!«
    Erschreckt warf sich Charles der Länge nach hin. Jetzt sah er sie kommen. Sie rannten über die Wiese. Sie rannten auf ihn zu. Seine Gehilfen Gros, Barre, Firmin, Desmorets und seine Söhne Henri und Gabriel. Etwas stimmte nicht. Wieso konnte Gabriel rennen? Charles sprang hoch und eilte das Seineufer entlang in Richtung des abgefackelten Zolltors vierundvierzig. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er hatte Gabriel gesehen, also konnte dieser nicht tödlich verunfallt sein. Also hatte er dessen Tod nur geträumt. Aber wieso zum Teufel rannten sie auf ihn zu? Und wieso waren sie zu sechst? Zum Reden genügte einer. Doch sie waren zu sechst. Weil sie ihn festhalten wollten. Aber warum? Dann verstand Charles. Sie wollten ihn aufs Schafott bringen. Aber wo blieb das schriftliche Urteil? »Wo?«, schrie Charles.
    »Es ist nur ein böser Traum, Vater«, sagte Henri.
    Charles schlug die Decke zurück und setzte sich benommen auf die Bettkante. »Gabriel ist tot«, sagte er, eher fragend, und schaute Henri flehend an.
    »Ja«, sagte Henri, »Gabriel ist vom Schafott gestürzt und hat sich das Genick gebrochen.«
    Charles nickte.
    »Fouquier hat nach dir gesucht«, sagte Henri, »du musst aufstehen.«
    »Schon wieder«, seufzte Charles, »hört das denn nie mehr auf? Mit jedem Urteil schneiden sie mir ein weiteres Stück aus meinem Gehirn. Sie stehlen die guten Erinnerungen, und was bleibt, sind rollende Köpfe, die polternd über die Holzbohlen hüpfen und mich stumm anklagen. Und wenn ich etwas anfasse, wird es rot, blutrot. Wie sind meine Hände?«
    »Deine Hände sind in Ordnung. Leg dich wieder hin, Vater, ich schaff das schon zusammen mit unseren Gehilfen.«
    Charles liess sich ins Bett zurückfallen. Henri zog ihm die Decke bis zum Kinn

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