Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Das Ende der Welt …«
Aus dem Tagebuch von Ephraim Goodweather
Freitag, 26. November
Das Ende der Welt kam nach sechzig Tagen. Und wir tragen die Schuld daran - unsere Versäumnisse, unsere Arroganz.
Als die Krise endlich in Washington wahrgenommen wurde - analysiert, verhandelt und schließlich durch Mehrheitsbeschluss ignoriert wurde -, hatten wir bereits verloren. Die Nacht gehörte ihnen. Und nun ist uns auch noch das Tageslicht entglitten …
Dabei ist nicht viel Zeit vergangen, seit wir unseren »unwiderlegbaren Videobeweis« in die Welt hinausgeschickt haben - aber die Wahrheit wurde in Tausenden höhnischer Gegenbeweise und Parodien ertränkt, die sich im Internet wie ein Sturzbach ausbreiteten. Das Ganze wurde zu einem Witz für die Late Night Shows, wir sind ja alle so schlau, ha ha - bis die Nacht über uns hereinbrach und wir uns einer erbarmungslosen Leere gegenübersahen.
Die erste Reaktion der Öffentlichkeit auf eine Epidemie: Man will sie nicht wahrhaben.
Die zweite Reaktion: Man sucht nach einem Sündenbock.
Um vom eigentlichen Problem abzulenken, werden die üblichen Verdächtigen bemüht: Finanzkrisen, soziale Unruhen, rassistische Übergriffe, Terroranschläge.
Doch letztlich waren wir es. Wir alle. Ohne Ausnahme. Wir ließen es geschehen, weil wir uns nicht im Traum vorstellen konnten, dass es überhaupt geschehen könnte . Wir waren zu clever. Zu fortschrittlich. Zu mächtig.
Jetzt ist die Dunkelheit vollkommen.
Und es gibt keine Wahrheiten mehr, keine unanfechtbaren Tatsachen, keine gemeinsame Wurzel unserer Existenz. Die Grundbausteine der menschlichen Biologie wurden neu sortiert - aber nicht in unserer DNA, sondern in unserem Blut.
Unserem Blut …
Parasiten und Dämonen sind nun überall. Wenn wir sterben, erwartet uns nicht mehr der natürliche Verwesungsprozess, sondern eine so komplexe wie diabolische Verwandlung. Eine Mutation. Eine Veränderung.
Sie haben uns unsere Nachbarn, unsere Freunde, unsere Familien genommen; die Ungeheuer tragen die Gesichter unserer Liebsten. Wir wurden aus unseren Häusern vertrieben, aus dem Paradies verstoßen und irren jetzt durch das öde Land auf der Suche nach einem Wunder. Wir Überlebenden sind verwundet, gebrochen, besiegt.
Aber nicht verwandelt . Wir sind nicht wie sie.
Noch nicht.
Dies ist kein Bericht, keine Chronik der Ereignisse. Sondern ein Klagelied, eine letzte Erinnerung an das Ende der Zivilisation.
Die Dinosaurier hinterließen so gut wie keine Spuren von ihrer Existenz. Nur einige in Bernstein eingeschlossene Knochen. Ihren Mageninhalt. Ihren Kot.
Ich hoffe, dass wir der Nachwelt etwas mehr hinterlassen werden.
22 TAGE ZUVOR …
GRAUER HIMMEL
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Spiegel sind die Überbringer schlechter Nachrichten, dachte Abraham Setrakian. Er stand unter dem grünlichen Schein der Wandlampe und betrachtete sich im Badezimmerspiegel.
Ein alter Mann, der in ein noch älteres Glas starrte.
Die Ränder der Spiegelfläche waren bereits schwarz, und im Laufe der Zeit würde sich die Schmutzschicht immer weiter bis zur Mitte vorarbeiten. Auf sein Spiegelbild zu. Auf ihn zu.
Bald kommt die Stunde deines Todes.
Das war die Nachricht, die ihm der Silberspiegel überbrachte. Setrakian war dem Tod - oder Schlimmerem - schon viele Male nahe gewesen und ihm immer wieder knapp entronnen. Aber diesmal war es anders. Er sah es in seinem Spiegelbild. Das Unvermeidliche …
Und dennoch schöpfte er einen gewissen Trost aus der Wahrheit, die ihm diese alten Spiegel vor Augen führten. Sie waren ehrlich und rein. Dieser hier war ein ganz außergewöhnliches Stück: Jahrhundertwende, schwer und massiv, mit Drähten an der gefliesten Wand befestigt. Insgesamt befanden sich etwa achtzig silberne Spiegel in Setrakians Wohnung. Sie hingen an den Wänden, standen auf dem Boden, lehnten gegen Bücherregale. Sein Drang, sie zu sammeln, war fast zwanghaft. So wie Menschen, die die Wüste durchquert haben, den wahren Wert von Wasser kennen, wusste
Setrakian um die Bedeutung von Silberspiegeln, und er konnte nicht anders, als jedes Exemplar zu erwerben, dessen er habhaft werden konnte; besonders, wenn es sich um kleine, tragbare Spiegel handelte.
Silberspiegel besaßen eine uralte, fast vergessene Eigenschaft.
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung haben Vampire sehr wohl ein Spiegelbild. Betrachtet man sie in einem am Fließband produzierten, modernen Spiegel, so ist ihre Reflexion
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