Der Henker will leben Kommissar Morry
allein die Suppe auslöffeln, die sie sich eingebrockt haben! Los... wenden Sie sich um!"
Der Inspektor gehorchte. Er spürte, daß Ferringdew von hinten an ihn herantrat. Dann traf den Inspektor zum zweiten Male in dieser Nacht ein harter Schlag an der Schläfe. Bewußtlos brach er zusammen.
*
Ellen Brewer stellte den Kragen ihrer Dreivierteljacke hoch und kurbelte das Wagenfenster zu. Sie hatte einen scheußlichen Geschmack im Mund. Ihre Hände waren eiskalt. Ich rauche zuviel, dachte sie. Sie blickte in den Rückspiegel. Wo blieb Gilbert? Warum dauerte es so lange? Das Autoradio spielte leise. Ihr wurde plötzlich klar, daß sie unter Umständen den Schuß überhören konnte. Rasch kurbelte sie das Fenster wieder herunter. Wenn wir das Geld haben, werde ich nie wieder ein krummes Ding drehen, schwor sie sich. Meine Nerven sind für derlei Strapazen einfach nicht gemacht.
Gilbert war anders. Zu ihrer Überraschung hatte er sich als geldgieriger und härter gezeigt, als sie ursprünglich angenommen hatte. Sie merkte, daß sie fröstelte. Ich kenne ihn kaum, dachte sie. Er war mein Verlobter, aber ich habe eigentlich nie sehr viel von ihm gewußt. Wird er genug Anstand und Fairneß besitzen, mit mir zu teilen? Oder wird er es vorziehen, mich zu beseitigen, um in den Genuß der ganzen Summe zu gelangen?
Nein, das kann er sich nicht leisten. Man würde ihn sofort verdächtigen, weil man ihn in letzter Zeit häufig in meiner Begleitung gesehen hat...
Sie vernahm hastige Schritte auf dem Bürgersteig und wandte den Kopf. Gilbert! Er trat an den Wagen und öffnete den Schlag. Ellen rutschte zur Seite, um ihm hinter dem Lenkrad Platz zu machen. Er schloß die Tür und drückte auf den Anlasser. Das Mädchen starrte ihm ängstlich von der Seite her ins Gesicht.
„Hat alles geklappt?" fragte sie.
„Verdammt!" sagte der Mann. „Warum springt die Kiste nicht an?"
„Du darfst nicht soviel Gas geben..."
„Endlich!" Er kuppelte und legte den Gang ein. Sie fuhren los. Er gab sofort Gas und sie schossen in hoher Geschwindigkeit die Straße hinab.
„Warum sagst du nichts, Gilbert? Erzähle doch, bitte..."
Der Mann zuckte die Schultern. „Ich habe dem Inspektor eins versetzt", meinte. „Das wird reichen, ihn für eine halbe Stunde außer Gefecht zu setzen."
„Wann werden sie zahlen?"
„Überhaupt nicht!"
Das Mädchen schluckte. „Das ist doch nicht dein Ernst!"
„Steck mir eine Zigarette an!"
„Erst muß ich wissen..."
„Steck mir eine Zigarette an!" wiederholte er grob.
Das Mädchen gehorchte und schob ihm die brennende Zigarette zwischen die Lippen. Ferringdew machte ein paar Züge. „Stell das Radio ab", meinte er. „Das süßliche Gedudel macht mich nervös."
„Das ist Sammy Kaye, den hörst du doch sonst so gern?"
„Stell die Kiste ab!" schnauzte er.
Ellen drückte auf den Knopf. „Was ist denn nur schiefgegangen, Gilbert?"
„Alles. Hast du das noch nicht begriffen? Alles! Wir werden kein Geld bekommen."
„Du lügst!"
„Da vorn ist eine Telefonzelle. Warum rufst du die Porezzis nicht an?"
„Aber wir haben doch die Mordwaffe als Unterpfand..."
„Klar, die haben wir. Großartig, was? Aber den beiden Porezzis ist es dummerweise plötzlich eingefallen, die weiße Fahne zu hissen. Sie wollen sich der Polizei stellen."
„Das kann ich nicht glauben. Das wäre doch Selbstmord... zumindest für die Alte!"
„Na und? Es gibt eben auch Selbstmörder!"
„Ich verstehe es nicht..."
„Du wirst es noch verstehen lernen. Ist dir klar, daß wir verschwinden müssen?"
„Wohin?"
„Ich weiß es nicht. Raus aus der Stadt. Raus aus diesem Land. Nach Südamerika. Irgendwohin..."
„Das geht doch gar nicht..."
„Meinetwegen kannst du hier bleiben. Immerzu! Ich habe nichts dagegen. Oh, hätte ich dich bloß niemals kennengelernt! Wie konnte ich nur so verrückt sein, zu glauben, daß du mir Glück bringst? Jetzt ist alles zum Teufel.
Das Geld und meine Zukunftsaussichten. Die Polizei ist mir auf den Fersen... und dir natürlich auch! Der Inspektor weiß alles, und das wenige, was ihm noch fehlt, wird er von den Porezzis erfahren."
„Oh Gilbert, es tut mir so leid..."
„Mir auch, das darfst du mir glauben!"
„Mit dieser Entwicklung konnte doch kein Mensch rechnen! Was soll jetzt geschehen?"
„Wieviel Geld hast du bei dir?"
„Keinen Cent. Warum?"
„Großartig! Da kannst du ja gleich in den Hudson springen..."
„Du wirst mich doch nicht im Stich lassen?" fragte sie
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