Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
antwortete er, und sie hörte das kindische Schmollen in seiner Stimme.
    »Gut«, sagte sie. »Dieser Stab ist ja recht praktisch. Ich sage den Frauen, sie sollen mehr Fleisch braten. Cleve und seine Leute haben heute morgen ein Dutzend Fasanen erlegt. Es wird ein köstliches Festessen geben.«
    »Der Stab ist ein Burra. Ich sagte, du sollst mit mir kommen.«
    Sie lächelte. »Willst du jetzt mit mir sprechen? Ich habe viel zu tun ... Aber sei's drum. Ich komme.«
    Sie betrat an seiner Seite das Haus. Hier gab es kein erhöhtes Podest, nur einen langen Raum, in dem es nach gebratenem Fasan und frischem Brot duftete und ein wenig nach Rauch, der als dünne, blaue Säule aufstieg. Varrick trat an einen Tisch und stellte sich hinauf.
    »Vorsichtig, Vater«, warnte Cleve. »Der Tisch wackelt manchmal.«
    »Weil Cleve die Beine nicht gleich lang abgesägt hat«, grinste Igmal.
    Cleve stieß ihm den Ellbogen in die Rippen.
    »Seid still!« befahl Varrick und zu Chessa gewandt: »Komm!«
    »Du wirst doch nicht von mir verlangen, daß ich auf diesen Tisch steige«, wehrte sie ab und strich sich über den Bauch.
    Er blickte finster auf sie hinunter. Sie hätte schwören können, sein Knurren gehört zu haben.
    Er kam wieder vom Tisch herunter, zog den Burra aus der Scheide und gab ihn ihr. »Nimm ihn und sag mir, was du fühlst, was du siehst.«
    Zögernd streckte sie die Hand aus und nahm den Zauberstab. Mit einem leisen Aufschrei hielt sie ihn auch mit der anderen Hand fest. »Er ist furchtbar schwer«, sagte sie und legte das stumpfe Ende auf die Tischplatte.
    Varrick machte keine Bewegung.
    »Fühlt er sich heiß an?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, er ist nur sehr schwer, so schwer, daß ich ihn nicht heben kann.«
    »Jetzt ist er kalt, stimmt's?«
    »Kalt? Nein, er ist nicht kalt. Ich fühle Holz, sehr schweres Holz, da muß etwas eingearbeitet sein, was ihn so schwer macht.«
    »Was siehst du?«
    »Gemalte Kreise und Vierecke. Die Farbe ist ausgeblichen und bröckelt an manchen Stellen ab. Der Stock sieht alt und
    seltsam aus. Er ist so schwer, Varrick. Nimm ihn bitte wieder. Ich mag ihn nicht.«
    Er machte ein verdutztes Gesicht, dann wurde er zornig. »Ich habe dich gefragt, was du siehst, nicht wie der Burra aussieht.«
    »Was soll ich sehen? Ich sehe nichts. Nur den Tisch, und ich fürchte, er wird nicht reichen für die vielen Gäste.«
    Er riß den Burra an sich und schob ihn in die Scheide. »Es liegt an dem Kind«, knurrte er. »Ja, es liegt an dem Kind. Es hat dir deine Kräfte geraubt.«
    »Welche Kräfte?« fragte sie. »Du hast übersinnliche Kräfte, Varrick, nicht ich.«
    Er seufzte tief. »Argana!« rief er, »bring mir einen Becher Met.«
    Argana rief gutgelaunt zu ihm herüber: »Ich kann nicht, Varrick. Ich bin gerade beim Gemüseschneiden.«
    Mit verhaltener Empörung wandte er sich der Frau zu, die seit achtzehn Jahren seine untertänige Weggefährtin war und nun mit großem Eifer Kohl in Streifen schnitt. »Athol«, rief sie. »Bring deinem Vater einen Becher Met.«
    »Ich bin ein Mann, Mutter, kein Sklave.«
    »Ich bin eine Frau, Sohn, keine Sklavin. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Ich bin beschäftigt, wie du siehst, und du sitzt untätig herum. Dein Vater verdient Gehorsam von uns allen. Tu, was ich dir sage, oder du wirst nicht mit uns essen.«
    Zu Chessas großem Entzücken ließ Athol sich herbei, einen Becher Met aus dem Faß zu schöpfen und ihm seinem Vater zu reichen. Er sah dabei nicht besonders freudig aus, aber er tat es.
    Dies, so dachte Chessa, ohne eine Miene zu verziehen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ist der Anfang des Endes von Varricks Schreckensherrschaft.
    Das Festmahl verlief in schöner Eintracht. Es gab reichlich Essen und Trinken. Die Gäste lachten und scherzten so vergnügt, wie Chessa es nicht mehr erlebt hatte, seit sie die Habichtsinsel verlassen hatte.
    Spät nachts, als alles schlief, und viele berauschte Gäste von Kinloch sich in Decken gehüllt auf dem Lehmboden zum Schlafen gelegt hatten, zog Cleve seine Frau in der Kammer an sich: »Sag, Chessa, was hast du wirklich gesehen?«
    »Etwas Wunderschönes, Cleve«, flüsterte sie. »Ich habe unseren Sohn gesehen. Er hat nicht deine schönen Augen, aber meine; sie sind grün, aber dunkler als meine, und sie strahlen voller Geheimnisse und Freuden und Mysterien und Abenteuer. Er hat dein goldenes, kräftiges und volles Haar.«
    »Wie heißt unser Sohn?«
    Sie grinste an seinem Hals. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher