Der Herr der Ohrringe (German Edition)
Taucher, die im Riedgras am Ufer des Gewässers verborgen waren, damit sie hinabtauchen und das Kleinod bergen sollten.
Und allenthalben im Schattenreich hub ein furchtbares Dröhnen an, und die Erde wackelte; und die Dunklen Geschöpfe verbargen sich unterm Gestein, genauso wie die Taucher übrigens. Und weit fort, an den Flanken der Schlackeberge, die sie inzwischen erreicht hatten, hielten die Heerscharen, die Ganzhalb und Marathorn hinter sich versammelt hatten, an, um zu picknicken. Frohdoof und Samenweis aber blickten auf die sich plötzlich auftuende Erde, die ihnen Feuer entgegenspuckte – und sie wussten: ihr Weg war der düsterste von allen.
Da! Tauchte der Eine Ohrring wieder auf, durchschnitt elegant die Wasseroberfläche des Schicksalsteiches, und eine kalte Stimme sprach aus ihm: »Herr, Döskopp, fortan gehöre ich dir, und solltest du mich anhängen, so wird dich niemand mehr verstehen! Ach ja – obendrein bist du jetzt das mächtigste Wesen in der Mittelmäßigen Welt, in diesem Zeitalter! Denn ich verleihe dir Zaubermacht jenseits allen vernünftigen Maßes, und der Dunkle Aspekt in mir ist fortgewaschen worden.«
Wenn Allround das hätte hören können, wäre er bestimmt aus dem Bett gefallen. Denn sein listiges Späßchen war Wirklichkeit geworden, und nicht einer der Weisen hätte damit gerechnet. Und es grinste Frohdoof, schnappte sich den Einen und hielt ihn hoch in seiner plötzlich von innen heraus schimmernden Hand.
Da aber trat eine Stille ein, die unheimlicher war als der zuvorige Tumult; und die Welt wartete auf den Letzten Schicksalsstreich. Saurum in seinem fernen Turmzimmer hockte und starrte auf den Teich, den er zwar selbst, jedoch nicht eigenhändig angelegt hatte; und Ganzhalb stand auf einem Schlackehügel vor den Toren Murderors und schaute in die Ferne, um zu ergründen, was los sei. Er breitete die Arme aus und rief: »Steht still, Männer des Ostens! Denn es tut sich was! Und wenn mich nicht alles täuscht, ist dies das Ende von Saurum, dem Finsteren Feind der Welt!«
Die Männer aber wussten nicht, wovon der Zauberer sprach, lagen sie doch alle müßig beim Picknick und hatten ohnehin nicht vorgehabt, sich zu bewegen. Da schnappte sich Ganzhalb einen wie zufällig in der Nähe herumlungernden Rh’Adler, sprang auf dessen Rücken und befahl: »Auf zum Schicksalsteich! Aber so schnell wie der Wind, und zwar ohne zu zicken!«
Der Vogel sprach: »Der Südwind bläst, und mitnichten verlangt es mich danach, dich noch einmal zu tragen!«
Und es stellte sich heraus, dass es der einstmals missbrauchte Rh’Adler war, und er schüttelte den Weißen Zauberer ab und hackte ihm seitlich gegen die Nase.
Frohdoof aber stand in der Zwischenzeit aufrecht am Ufer des Teiches und rief so laut und klar wie nie zuvor: »Jetzt, wo ich hier bin, verspüre ich das Verlangen, genau das zu tun, was ich die ganze Zeit über vorhatte!«
Und er friemelte sich ein Ohrloch ins unversehrte Läppchen und hängte den wiederaufgetauchten Einen hinein. Da änderte sich die Welt.
Saurum fiel aus seinem hochgelegenen Turmzimmer, denn unter ihm zerbröselte seine Burg, und BarackeInDur war nicht mehr. Ganzhalb jedoch kam ins Schlingern, denn unter ihm erweichte sich der Schlackeberg, und tief versank er in Matsche und Patsche. Allround im fernen Duchfal erwachte von einem Nickerchen, denn unter ihm löste sich seine Lagerstatt auf, und schnell schlief er wieder ein. An allen Horizonten erschollen Blitze, und Donnerschein erhellte die sich wölbenden Himmel. Schlimmer denn je toste die Erde; das Meer aber bebte.
Vierundzwanzigstes und Letztes Kapitel:
Das Ende des Zeitalters, und der Beginn eines Neuen
»Was passiert, Frohdoof?«, ächzte Samenweis und fiel auf die Knie.
»Ich bin der Mächtigste, und die Welt ändert sich nach meinem Gutdünken! Das is’ alles, glaub’ ich.«
»Was hast du vor?«, schrie Samenweis. »Herr?«
Frohdoof blitzte mit seinen Augen, und triumphierend blickte er auf seinen Gefährten hinab und sprach: »Was soll das ganze Gedöns, o Samenweis, mein minderbemittelter Freund? Was ist dies, das wir Leben in der Mittelmäßigen Welt nennen? Ein andauernder Ärger, und fruchtlos strampelt man sich ab! Wir frieren in der Wildnis, und nichts macht Spaß. Ununterbrochen gibt’s was mitten auf den Mund, und die Kleinen müssen sich abrackern, da die Großen immer alles verpatzen. Jetzt machen wir etwas anderes! Wir feiern die Endlose Fete, und zwar ab sofort und für immer,
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