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Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Titel: Der Herr der Ohrringe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myk Jung
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Geister, he?«, fragte Saurum scheinbar ruhig, als die Neun in seinen Thronsaal flatterten.
    »Wir dachten, wir sollten das noch nicht, eingreifen und so… als Geheimwaffe noch ein bisschen im Hintergrund bleiben… haben wir uns da vielleicht vertan…?«, entgegneten die Ohrringgespenster ganz vorsichtig, und schon spürten sie, wie unter dem durchdringenden Blick des Wimpernlosen Auges ihr untotes Fleisch zu schrumpeln begann und ihre nackten Seelen zu den Häusern der Klagen gesandt wurden, wo sie verdorrten.
    »Wir haben es uns gedacht«, dachten sie, denn sie hatten sich schon ein ähnliches Entgelt ausgemalt. Aber dann floh ihr Denken in finstere Regionen, daraus es selten ein Erwachen gibt.

Zweiundzwanzigstes Kapitel:
Vidas Tierlyth
    »Wir müssen uns jetzt ins Reich Gondel begeben, nach Vidas Tierlyth, und dann weiter Richtung Murderor!«, kommandierte Ganzhalb; und ein weiteres Mal schwang in seiner Stimme jener Ton mit, der keine Widerrede zulässt, und vielleicht zauberte er auch ein bisschen – jedenfalls folgten ihm schon wieder alle, obgleich ihre Lustlosigkeit offenkundig war. Die Gefährten schlurften auffällig langsam los, und gar mancher ließ sich schneller als erwartet zurückfallen. Ganzhalb aber kannte kein Erbarmen und schleifte sie alle mit, denn er war erfüllt von einem Tatendrang, den er damals, in seiner Jugend, als Mayabine, in der Zauberschule im Vergessenen Osten nie an den Tag gelegt hatte.
    »Weiß zu tragen spornt eben an«, erklärte er den Gefährten und ließ sie vor sich her preschen. Doch falls er hoffte, dass aus seinem Spruch, der ihm originell erschien, ein geflügeltes Wort werden würde: daraus wurde nichts.
    Einmal sahen sie von weitem Fahrduman, aber der war inzwischen gänzlich am Ende und zerfressen von der Schwarzen Wut und ohne Hoffnung. Deutlich waren seine blauen Flecken zu erkennen, denn sie nahmen den größten Teil von ihm ein.
    »Ihr verfluchten… Drecksäcke!«, rief er aus sicherer Entfernung und warf Ganzhalb einen Gegenstand an den Kopf. Dann verschwand der Verzehrte in einem bis dahin namenlosen Dickicht; später jedoch wurde es ›Fahrdumans Ende‹ genannt. Das Wurfgeschoss indes prallte vom harten Zaubererschädel ab und landete in Pipifaxens Hände.
    »Hey, was is’ denn das?«, fragte der neugierige Hobbknick, denn was er hielt, war eine tiefgrüne Kugel, die auffordernd im Innern loderte und bespickt war mit bunten Bildchen.
    »Nicht reingucken!«, schrie Ganzhalb, und Pipifax guckte hinein. Da sah er ein Rotorangenes Auge, aber auch ein Pinkfarbenes Ohr, und eine leise Stimme sprach aus der Kugel zu ihm: »Aha! Ein Döskopp! Möchtest du mal die Häuser des Klagens besuchen, hm?«
    »Lieber nicht«, stammelte Pipifax, aber es war zu spät, und schon schrumpelte ihm das Fleisch von den Knochen, und die anderen sahen beklommen zu, wie sich seine nackte Seele in die Lüfte erhob und in Richtung der Klagehäuser davonstob…
    Aber das war natürlich ein Scherz, ein kleiner, den sich eine der Übersetzungsversionen des Blauen Buches erlaubte und der hier bedenkenlos übernommen wurde: in Wirklichkeit geschah solcherlei gar nicht. Aber es passierte etwas anderes: Pipifax röchelte und zitterte, während er umfiel und wie gebannt in die zauberische Kugel starrte, und die anderen so besorgt über seinen Zustand wurden, dass sie sich schon ängstlich fragten, ob sie ihn vielleicht sich selbst und seinem Schicksal überlassen sollten. Doch dann behielt ihr Mitgefühl die Oberhand, und sie klopften ihm auf die Schulter, bevor sie sich abwandten. Jedoch rannte er ihnen nach, und seufzend ertrugen sie seine Anhänglichkeit.
    »Das hier aber nehm’ ich an mich!«, brummelte Ganzhalb barsch und nahm dem Döskopp die schillernde Kugel ab. Er hielt sie in seinen verdorrten Händen, die plötzlich sogar noch verdorrter aussahen, und siehe! er schaute in die Kugel hinein und sprach: »Hallo Saurum! Wir kommen, um dich niederzuschmettern! Da bist du baff, hm?«
    Marathorn jedoch machte Gebärden der Verärgerung, die nirgendwo genau beschrieben wurden, nicht in einer einzigen Überlieferungsvariante, und wies auf die Kugel, alldieweil er zürnte: »Von Rechts wegen sollte diese mein sein! Sie gehört zum Nachlass IsInDurs. ›Sieben Eimer und sieben Kugeln, und eine Kugel im Eimer!‹ – so lautet doch der urzeitliche Spruch, die Schätze des Hauses Elendsstiel betreffend. Oder etwa nicht?«

    »Ich denke, eher nicht«, gab Ganzhalb zurück, denn er konnte sich

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