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Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Titel: Der Herr der Ohrringe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myk Jung
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niemanden. Ein jeder von ihnen las sich den Brief durch, den sie mit betroffenen Mienen weiterreichten, und dadurch vergeudeten sie eine Menge Zeit.
    »Sie haben sich vom Acker gemacht«, stockte Pipifax der Atem.
    »Ich seh’ nur eine Wiese«, entgegnete Legospass, während er mit handverschattetem Blick Ausschau nach ringsherum hielt. » Schön nebelverhangen, allerdings…«
    »Es handelt sich hierbei um eine Redewendung«, erklärte Macho.
    »Eine aus dem ›Revier‹?«, fragte Legospass. »Was ein Fachausdruck für das Herz des Flauen Landes ist?«
    »Richtig. Was Pipifax zum Ausdruck bringen möchte, ist dies: Sie haben sich verzogen, sind getürmt.«
    »Klingt wie ’ne Redewendung«, sagte Ganzhalb. »Allerdings wie eine, deren Krudität auf eine Verrohung des Sprechenden schließen lässt. Macho! Bitte bemüh dich um bessere Ausdrucksformen!«
    Doch wie sehr sie sich auch abzulenken suchten, es blieb dabei: ihre Anderweltlichen Spiegelbilder waren enteilt.
    »Das können sie uns doch nicht antun«, murmelte Samenweis.
    »Wir wollten ihnen doch alles so schön aufbürden!«, jammerte Frohdoof.
    Und Legospass sprach: »Wir sind die elenvahr !«
    »Jetzt liegt’s an uns«, konstatierte Marathorn. »Ansonsten fällt diese Welt in den Abgrund!«
    »Wie ihr die Dinge wieder darstellt!«, grummelte Saurum. »Als wäre alles ganz finster, falls die Dunkle Seite gewönne.« Die anderen starrten ihn aufgeschreckt an. Hatte sich der ehemalige Schattenherrscher wieder dem Bösen zugewandt? Ganzhalb der Graue jedoch weigerte sich, seine Hoffnung auf baldiges Nichtstun aufzugeben. »Wir werden uns die Entflohenen schnappen! Lasst uns die Gefilde durchstöbern! Wir schleifen sie an den Haaren, wir achten nicht ihrer Widerworte! Eilt nun los und holt sie zurück! Wir treffen uns wieder hier, im Ausgangsgebüsch all unsrer Mühsal!«
    In alle möglichen Richtungen stoben sie los, sich aufsplitternd, jedoch nicht in ihre einzelnen Gliedmaßen, sondern in die jeweiligen Bestandteile der Gemeinschaft: also ein jeder suchte für sich. Durch Haine preschten sie und an halbverdorrten Ebenen entlang, die sich südlich des Flauen Landes erstreckten. Doch so lange sie auch suchten, und es war gar nicht so lang, wie es in späteren Erzählungen wirkt, sie fanden die Anderen Gefährten nicht mehr. Die hatten sich gekonnt aus dem Staub gemacht.
    Als sie wieder an ihrem verabredeten Ort zusammentrafen, in jenem Gebüsch, von wo sie aufgebrochen waren, demjenigen, in dem noch immer der Abschiedsbrief der Anderen hing, da waren sie nicht vollzählig. Lediglich Frohdoof und Samenweis sahen einander wieder; und Frohdoof trug noch immer den Einen Ohrring. Er versuchte seiner ledig zu werden, aber so fest er auch zog, das Finsterschmuckstück baumelte weiterhin am Läppchen, wohin der Döskopp es gehängt hatte.
    »Wie sonderbar«, kommentierte Samenweis. »Es kommt mir bekannt vor.«
    »Ich will den Ohrring schnellstmöglich loswerden«, sprach Frohdoof. »Wir sollten uns durchschlagen nach Duchfall! Allround der Halb-Alberne ist immerzu erpicht auf Kleinodien, wie wir ja inzwischen wissen. Der nimmt ihn mir im Handumdrehen ab.« Womöglich spekulierte Frohdoof auf die berüchtigte Loslösungs-Magie der Unsterblichen?
    »Zu den Albernen! Juckuruh!«, rief Samenweis.
    »Hör mal auf mit dem Juckuruh-Rufen!«, befahl Frohdoof. »Ich hab’ ein verdächtiges Rascheln gehört.«
    Das mit dem Raschelgeräuschehören war nicht verwunderlich: denn die Nazgulashs, die Ohrringgeister, hatten zwischenzeitlich den Verlust des Einen bemerkt und waren zurückgekehrt, angestrengt zirkulierend.
    »Wir schlagen uns in die Büsche!«, kommandierte Frohdoof.
    »Wir sind doch schon mitten drin«, bemerkte Samenweis.
    »Umso besser. Gut gemacht, Samenweis. Hier werden sie uns nicht sehen.«
    »Woher weißt du das, Herr?«
    »War doch schon letztes Mal so. Ihre Blicke durchbohren Stein, Fleisch und Eisen. Aber offenbar kein Geäst. Kaum zu glauben, aber vielleicht wahr.«
    »Du saugst dir nicht Theorien aus den Fingern, Herr? Wie der olle Ganzhalb?«
    »Schaun wir mal. Ich geb’ mir Mühe.« Frohdoof kaute entschlossen auf den Lippen herum. Und die beiden begannen, durchs Unterholz zu kriechen, wie ehedem, und versuchten dabei, die Richtung Richtung Duchfal anzupeilen. Nicht lange waren sie gekrochen, als sie auf Macho und Pipifax stießen, die unter dem Blätterdach geruhsam schliefen. Sie hatten wohl eine weniger intensive Suchphase eingeläutet. Abgekaute

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