Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
die Sache bis dahin nicht gelöst, wird er dieses Ultimatum offiziell machen. Und dann wird Faihlyd keine Wahl haben, sie wird sich entweder beugen müssen oder aber Widerstand leisten.«
»Was fordert von Gering?«, fragte ich betroffen. Es war also wirklich so, wie Kasale gesagt hatte.
»Dass Agenten der Reichsstadt von der Emira mit Befugnissen ausgestattet werden, um die Vorfälle zu untersuchen. Dabei sollen diesen Agenten auch die Palastarchive geöffnet werden.«
»Das ist noch nicht so schlimm, wie ich dachte«, sagte ich.
Leandra schüttelte entschieden den Kopf. »Es ist schlimm genug, denn es untergräbt Faihlyds Autorität und gibt Wasser auf die Mühlen derer, die sowieso schon behaupten, dass die sieben Reiche nicht souverän wären und nur am Gängelband der Reichsstadt hängen. Eine Meinung, die nicht nur hier in Bessarein reichlich Anhänger findet.«
Ich sagte nichts.
»Es war schon unterschwellig auf dem Empfang zu bemerken, zu dem ich geladen war«, fuhr sie fort und stellte ihren Becher hart auf dem Geländer ab. »Es ist eine Unverschämtheit, wie von Gering mich benutzt! Er verwendet unsere Freundschaft zur Emira und droht im Hintergrund damit, dass meine Akkreditierung als Botschafterin von Illian auch rückgängig gemacht werden könnte, solange der Staatsvertrag nicht unterschrieben ist.« Sie wandte sich mir zu, und ihre Augen funkelten. »Ich mag es nicht, als Werkzeug missbraucht zu werden. Das hatte ich oft genug.«
»Dann geh zu Faihlyd und sag ihr das Gleiche, was du mir eben gesagt hast«, schlug ich vor. »Dass du gezwungen wurdest, so zu handeln.«
»Das wäre nicht diplomatisch!«, protestierte sie.
Ich küsste sie und lachte. »Eben deshalb.« Ich griff Seelenreißer, der noch immer neben dem Bett stand, und ging zur Tür.
»Wo gehst du hin?«, fragte sie überrascht.
Ich blieb im Türrahmen stehen und sah zu ihr zurück. »Du bist die Diplomatin«, teilte ich ihr lächelnd mit. »Für mich ist das nichts. Wundere dich also nicht, wenn von Gering sich über mich beklagen sollte.«
»Was hast du vor?« fragte sie alarmiert.
Ich winkte ab. »Nichts Bestimmtes. Ich will etwas spazieren gehen. Es kann nur sein, dass ich von Gering über den Weg laufe. Und er wird dann wohl wenig erfreut sein.«
Sie hielt mich am Arm zurück. »Havald«, sagte sie ernst. »Wenn ich mich bei dir beschwere, bedeutet das nicht, dass du meine Schlachten schlagen sollst.«
Wenn sie schon so nahe stand, konnte ich sie auch küssen. Ich tat es, und als sie wieder Luft bekam, lächelte ich. »Das weiß ich, Leandra. Wenn ich eines weiß, dann das. Mir steht der Sinn danach, etwas die Stadt zu erkunden. Ich werde bald zurück sein.«
Zum größeren Teil war es sogar wahr. Gasalabad, die Goldene Stadt, vermochte es noch immer, mich zu beeindrucken und in ihren Bann zu schlagen. Bevor ich hierher kam, hätte ich mir diese Stadt nicht vorstellen können, die um so vieles größer war als jede andere Stadt, die ich kannte. Vor allem aber hätte ich mir diese Menschenmassen nicht denken können. Reiche Damen und Herren in ihren von Sklaven getragenen Sänften, von Fliegen geplagte Bettler an jeder zweiten Ecke, hier eine junge Frau, die müßig über einen der vielen Märkte schlenderte, mit einem grimmig dreinschauenden Leibwächter an ihrer Seite, dort ein abgemagerter Junge, der Honigküchlein feilbot, dort ein Soldat der Stadtwache, der mit einer jungen Tuchhändlerin anbandelte und dessen Schuppenpanzer in der Sonne schillerte.
Arm und reich begegneten sich hier auf engstem Raum. Sah man auf dieser Seite die hohen Mauern eines Palasts, hinter denen sich ein sorgfältig angelegter Garten verbarg, gab es auf der anderen Seite verfallene Gemäuer, in denen sich die Armen der Stadt eingerichtet hatten. Andere lebten in windschiefen Hütten, wieder andere hatten gar kein Dach über dem Kopf und schliefen, wo sie gerade konnten. Über all dem lag dieser Geruch, der mich immer an die Goldene Stadt erinnern würde, eine Mischung aus jedem Geruch der Weltenscheibe – und dem Duft von Blumen.
Gegen die sengende Mittagssonne gab es weit aufgespannte Stoffdächer aus buntem Leinen. In ihrem Schatten saßen die Männer Gasalabads vor den zahlreichen Teehäusern, manche tranken auch Kafje, und sahen den jungen, teils leicht bekleideten Frauen nach oder erörterten die Geschehnisse der letzten zwei Nächte. Oft genug hörte ich Faihlyds Namen, meist mit einer Bitte an die Götter verbunden, sie zu
Weitere Kostenlose Bücher