Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
mich hintansetzen und mich gehen lassen? Ich bin müd und voll Kummer, und ich habe Angst. Aber ich habe noch etwas zu tun, das getan werden muss, bevor auch ich den Tod finde. Und umso mehr Eile ist nun geboten, wenn von allen Gefährten nur wir zwei Halblinge noch übrig sind.
Geh heim, Faramir, tapferer Feldhauptmann von Gondor, und verteidige deine Stadt, so lange du kannst, und mich lass gehen, wohin das Schicksal mich führt!«
»Mir hat unsere Unterredung keinen Trost gebracht«, sagte Faramir, »aber in dir hat sie mehr Befürchtungen geweckt als nötig. Wer, wenn nicht das Volk von Lórien selbst zu ihm gekommen ist, sollte Boromir wie zur Bestattung hergerichtet haben? Gewiss keine Orks und keine Diener des Namenlosen. Manche von deinen Gefährten, denke ich, sind noch am Leben.
Doch was immer in der Nordmark vorgefallen sein mag, gegen dich, Frodo, hege ich keine Bedenken mehr. Wenn die schweren Zeiten mich gelehrt haben, Menschen halbwegs zutreffend nach ihren Worten und Gesichtern zu beurteilen, so darf ich wohl auch über Halblinge eine Vermutung wagen. Etwas allerdings«, und nun lächelte er, »ist doch seltsam an dir, Frodo, ein elbischer Zug vielleicht. Aber von unserem Gespräch hängt nun doch mehr ab, als ich zuerst dachte. Ich müsste dich jetzt mitnehmen nach Minas Tirith, um dich Denethor vorzuführen, und mein Leben wird zu Recht verwirkt sein, wenn ich etwas beschließe, das sich für meine Stadt als nachteilig erweist. Darum will ich nicht übereilt entscheiden, was zu tun ist. Doch hier können wir nicht länger bleiben.«
Er sprang auf und erteilte einige Befehle. Sofort lösten sich die um ihn versammelten Männer in kleine Trupps auf und gingen auf verschiedenen Wegen davon, rasch in die Schatten der Felsen und Bäume eintauchend. Bald blieben nur noch Mablung und Damrod.»Ihr, Frodo und Samweis, kommt nun mit mir und meinen Leibwächtern«, sagte Faramir. »Auf der Straße nach Süden könnt ihr nicht weitergehen, wenn das eure Absicht war. Sie wird einige Tage lang unsicher sein, und nach diesem Scharmützel wird sie stets schärfer bewacht werden als bisher. Und weit könnt ihr heute ohnehin nicht mehr gehen, glaube ich, denn ihr seid müde. Und wir auch. Wir gehen nun zu einer geheimen Zuflucht, weniger als zehn Meilen von hier. Die Orks und die Späher des Feindes haben sie noch nicht entdeckt, aber selbst wenn sie uns belagerten, könnten wir uns dort lange gegen eine Übermacht halten. Dorthin können wir uns für eine Weile zurückziehen und ausruhen und ihr mit uns. Am Morgen dann werde ich entscheiden, was am besten zu tun ist, für mich und für euch.«
Frodo blieb nichts anderes übrig, als diesem Wunsch oder Befehl nachzukommen. Für den Augenblick schien es auf jeden Fall ratsam, denn durch den Überfall der Menschen aus Gondor waren die Wege durch Ithilien gefährlicher geworden denn je.
Sie brachen sogleich auf. Mablung und Damrod gingen ein wenig voraus, Faramir mit Frodo und Sam hinterdrein. Auf dem diesseitigen Ufer umgingen sie den Weiher, in dem die Hobbits gebadet hatten, überquerten den Bach, stiegen eine lange Böschung hinauf und traten ins grünschattige Waldland ein, das stetig nach Westen hin abfiel. Sie gingen so schnell, wie die Hobbits Schritt halten konnten, und sprachen dabei mit gedämpfter Stimme.
»Ich habe unser Gespräch nicht nur deshalb abgebrochen«, sagte Faramir, »weil die Zeit drängte, wie Herr Samweis mir in Erinnerung rief, sondern weil wir uns Dingen näherten, die wir besser nicht vor vielen Zuhörern erörtern sollten. Dies war auch der Grund, warum ich auf meinen Bruder zu sprechen kam und Isildurs Fluch lieber auf sich beruhen ließ. Du warst nicht vollkommen aufrichtig gegen mich, Frodo.«
»Ich habe dir keine Lüge aufgetischt und von der Wahrheit so viel gesagt, wie ich sagen konnte«, sagte Frodo.
»Ich mache dir keinen Vorwurf«, sagte Faramir. »Du hast in einer schwierigen Lage die richtigen und, schien mir, wohlbedachten Worte gefunden. Aber ich habe mehr als das ausdrücklich Gesagte daraus erschließen oder erraten können. Es war keine reine Freundschaft zwischen dir und Boromir. Oder ihr seid nicht in Freundschaft geschieden. Du und vermutlich auch Herr Samweis, ihr habt etwas gegen ihn auf dem Herzen. Nun habe ich ihn zwar innig geliebt und brenne darauf, seinen Tod zu rächen, doch ich kannte ihn genau. Isildurs Fluch – ich getraue mich zu vermuten, dass Isildurs Fluch zwischen euch stand und eine Ursache
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