Der Herr der Ringe
begann deutlich ein Pfad, der sich in vielen Windungen durch den tiefer liegenden Wald zog und auf dem Berggipfel dahinter verschwand. Stellenweise war er jetzt nur schwach erkennbar und zugewachsen oder durch herabgefallene Steine und Bäume versperrt; aber es schien, als sei er früher viel benutzt worden. Es war ein Pfad, den starke Arme und klobige Füße gebahnt hatten. Hier und dort waren alte Bäume gefällt oder abgebrochen und große Felsen gespalten oder weggewälzt worden, um einen Weg zu schaffen.
Sie folgten der Spur eine Zeitlang, denn es war das Bequemste für den Abstieg, aber sie gingen vorsichtig, und ihre Ängstlichkeit wuchs, als sie in den dunklen Wald kamen und der Pfad deutlicher und breiter wurde. Plötzlich ließ er eine Reihe Kiefern hinter sich und zog sich einen steilen Hang hinunter, dann wandte er sich scharf nach links und verschwand hinter einem Felsvorsprung. Als sie zu der Ecke kamen, schauten sie sich um und sahen, dass der Pfad nun eben verlief unter einer niedrigen Felswand, die von Bäumen überhangen war. In der Felswand war eine Tür, die halb offen und schief an einer großen Angel hing.
Vor der Tür hielten sie an. Es war eine Höhle oder eine Felskammer dahinter, aber in der Dämmerung drinnen war nichts zu sehen. Streicher, Sam und Merry gelang es mit aller Kraft, die Tür etwas weiter aufzustoßen, unddann gingen Streicher und Merry hinein. Sie gingen nicht weit, denn auf dem Boden lagen viele alte Knochen, und in der Nähe des Eingangs war nichts zu sehen als einige leere Krüge und zerbrochene Töpfe.
»Wenn ich je eine Trollhöhle gesehen habe, dann die hier!«, sagte Pippin. »Kommt heraus, ihr beiden, und lasst uns weitergehen. Jetzt wissen wir, wer den Pfad gemacht hat – da ist es am besten, wir verdrücken uns rasch.«
»Das ist nicht nötig, glaube ich«, sagte Streicher, als er herauskam. »Gewiss ist es eine Trollhöhle, aber sie scheint schon lange verlassen zu sein. Ich glaube nicht, dass wir Angst haben müssen. Lasst uns vorsichtig hinuntergehen, dann werden wir weitersehen.«
Der Pfad führte von der Tür aus weiter, wandte sich wieder nach rechts über das ebene Stück, und dann ging es einen dicht bewaldeten Abhang hinunter. Pippin, der Streicher nicht gern zeigen wollte, dass er Angst hatte, ging mit Merry voran. Sam und Streicher kamen hinterher, und in der Mitte zwischen ihnen trabte Frodos Pony. Denn der Pfad war jetzt so breit, dass vier oder fünf Hobbits nebeneinander gehen konnten. Aber sie waren noch nicht weit gekommen, als Pippin zurückgerannt kam, gefolgt von Merry. Sie sahen beide ganz erschrocken aus.
»Da sind Trolle!«, keuchte Pippin. »Unten auf einer Lichtung im Wald, nicht weit hinab. Wir haben sie durch die Baumstämme gesehen. Sie sind sehr groß.«
»Wir wollen sie uns gleich mal anschauen«, sagte Streicher und nahm einen Stock auf. Frodo sagte nichts, aber Sam sah verstört aus.
Die Sonne stand jetzt hoch und schien durch die halb kahlen Zweige der Bäume und warf Lichtflecken auf die Lichtung. Sie blieben am Rand stehen und spähten mit angehaltenem Atem zwischen den Baumstämmen hindurch. Da standen die Trolle: drei große Trolle. Einer bückte sich, und die anderen starrten ihn an.
Streicher ging unbekümmert auf sie zu. »Steh auf, alter Stein!«, sagte er und zerbrach seinen Stock an dem gebückten Troll. Nichts geschah. Die Hobbits waren starr vor Staunen, und dann musste selbst Frodo lachen. »Ja«, sagte er, »wir vergessen unsere Familiengeschichte! Das müssen eben die drei sein, die von Gandalf geschnappt wurden, als sie sich über die richtige Methode stritten, dreizehn Zwerge und einen Hobbit zu kochen.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass wir in dieser Gegend sind«, sagte Pippin. Er kannte die Geschichte gut. Bilbo und Frodo hatten sie oft erzählt; aber eigentlich hatte er sie immer nur halb geglaubt. Selbst jetzt betrachtete er die Steintrolle noch misstrauisch und fragte sich, ob nicht irgendein Zauber sie plötzlich wieder lebendig machen würde.
»Ihr vergesst nicht nur eure Familiengeschichte, sondern alles, was ihr je über Trolle gehört habt«, sagte Streicher. »Es ist helllichter Tag und strahlender Sonnenschein, und trotzdem versucht ihr, mich mit einer Geschichte von lebendigen Trollen zu erschrecken, die auf dieser Lichtung auf uns warten! Jedenfalls hättet ihr bemerken können, dass einer von ihnen ein altes Vogelnest hinter dem Ohr hat. Das wäre ein sehr ungewöhnlicher Schmuck für einen
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