Der Herr der Ringe
lebendigen Troll!«
Sie lachten alle. Frodos Lebensgeister erwachten wieder: Die Erinnerung an Bilbos erstes erfolgreiches Abenteuer war herzerfrischend. Auch war die Sonne warm und tröstlich, und der Nebel vor seinen Augen schien sich ein wenig zu verziehen. Sie rasteten eine Weile auf der Lichtung und nahmen ihr Mittagsmahl direkt im Schatten der großen Trollbeine ein.
»Will uns nicht jemand etwas vorsingen, während die Sonne noch hoch steht?«, schlug Merry vor, als sie mit dem Essen fertig waren. »Wir haben seit Tagen kein Lied und keine Geschichte gehört.«
»Nicht seit der Wetterspitze«, sagte Frodo. Die anderen sahen ihn an. »Macht euch keine Sorgen um mich«, fügte er hinzu. »Ich fühle mich viel besser, aber ich glaube nicht, dass ich singen könnte. Vielleicht kann Sam etwas aus seinem Gedächtnis ausgraben.«
»Los, Sam«, sagte Merry. »In deinem Kopf ist mehr auf Lager, als du zugeben willst.«
»Das weiß ich nicht«, sagte Sam. »Aber wie wäre es damit? Es ist nicht gerade das, was ich Poesie nenne, wenn ihr mich versteht: nur ein bisschen Unsinn. Aber diese alten Bildsäulen haben es mir wieder in Erinnerung gerufen.« Er stand auf, die Hände auf dem Rücken, als ob er in der Schule wäre, und begann nach einer alten Melodie zu singen.
Troll saß allein auf einem Stein
Und kaute und nagte an altem Gebein
Schon Jahr um Jahr, denn Fleisch ist rar
Und eine seltene Gabe.
Habe! Labe.
Und Troll lebt immerzu allein,
Und Fleisch ist kaum zu haben.
Da kam mit Meilenstiefeln an
Der Tom und rief: »He, Trollemann!
Mir scheint das schlimm, du nagst an Tim,
Meinem Onkel, der längst verschieden,
Er ruhe in Frieden!
Lang ist er tot, der würdige Mann,
Und ich dachte, er läg in Frieden.«
»Ja, Jungchen«, grinst Troll, »ich stahl den Schatz,
Was braucht ein Gerippe noch so viel Platz?
Dein Onkel war tot ohne Kummer und Not,
Schon eh ich an seinen Knochen
Geroh- gerochen!
Mir altem Troll gibt er gern was ab,
Denn er braucht nicht die alten Knochen.«
Sagt Tom: »Auch brauchen nicht solche wie du
An Knochen zu nagen! Hör auf! Hör zu!
Die gib uns zurück jedes einzelne Stück,
Die gehören in die Familie!
Diebsbruder! Luder!
Ein Toter will schließlich auch seine Ruh
Im Schoße der Familie.«
»Gib nicht so an«, sagt Troll, »lieber Mann,
Ich mach mich gleich an dich selber ran!
Solch frisches Gericht hatt ich lange nicht
Für meine Nagezähne,
Ähne! Dähne!
Ich hab die Gerippe weidlich satt,
Riech ich so junge Hähne!«
Schon schien ihm sicher das köstliche Mahl,
Da entwischte ihm Tom so glatt wie ein Aal
Und hob den Fuß zum Stiefelgruß,
Ihn eines Bessern zu lehren,
In Ehren lehren!
Tom hob den Stiefel voller Genuss
Den Troll eines Bessern zu lehren.
Aber härter als Stein ist Gesäß und Gebein
Eines Trolls, und fühllos noch obendrein.
Man könnt ebenso gut in ohnmächtiger Wut
Den Felsen mit Tritten bedenken!
Verrenken! Ertränken!
Wie lachte Troll, als Tom wie toll
Tat seinen Stiefel schwenken.
Und seit er damals nach Hause kam
Blieb sein Fuß ohne Stiefel und dauerlahm.
Aber was geschah, geht Troll nicht nah,
Und den Knochen hat er behalten,
Den miesen alten!
Sein Rückenteil blieb leider ganz heil,
Und den Knochen hat er behalten.
»So, das ist eine Warnung für uns alle!«, lachte Merry. »Gut, dass du einen Stock genommen hast, Streicher, und nicht deine Hand!«
»Wo hast du das her, Sam?«, fragte Pippin. »Ich habe diese Verse noch nie gehört.«
Sam murmelte etwas Unverständliches. »Das hat er natürlich selbst erfunden«, sagte Frodo. »Ich lerne auf dieser Reise eine Menge über Sam Gamdschie. Erst war er ein Verschwörer, jetzt ist er ein Possenreißer. Zu guter Letzt wird er noch ein Zauberer – oder ein Krieger!«
»Das hoffe ich nicht«, sagte Sam. »Keins von beiden will ich sein!«
Am Nachmittag gingen
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