Der Herr der Ringe
wohin er immer will. Nach seiner Entscheidung könnt Ihr ihn beurteilen.«
»Hörst du das, Schlangenzunge?«, fragte Théoden. »Das steht für dich zur Wahl: mit mir in den Krieg zu reiten und uns in der Schlacht sehen zu lassen, ob du aufrichtig bist; oder zu gehen, wohin du willst. Aber wenn wir uns dann wiedertreffen, werde ich nicht barmherzig sein.«
Langsam erhob sich Schlangenzunge. Er sah sie mit halb geschlossenen Augen an. Zuletzt blickte er Théoden scharf an und öffnete den Mund, als ob er sprechen wollte. Dann plötzlich richtete er sich auf. Seine Hände zuckten. Seine Augen funkelten. Eine solche Bosheit lag in ihnen, dass die Männer vor ihm zurückwichen. Er entblößte seine Zähne; und mit einem zischenden Ausatmen spuckte er dem König vor die Füße, sprang zur Seite und floh die Treppe hinunter.
»Ihm nach!«, sagte Théoden. »Seht zu, dass er niemandem Schaden zufügt, aber verletzt ihn nicht und hindert ihn nicht. Gebt ihm ein Pferd, wenn er es wünscht.«
»Und wenn eins ihn tragen will«, sagte Éomer.
Einer der Wächter lief die Treppe hinunter. Ein anderer ging zu der Quelle am Fuß des Bergsattels und schöpfte Wasser mit seinem Helm. Damit wusch er die Steine sauber, die Schlangenzunge besudelt hatte.
»Nun, meine Gäste, kommt«, sagte Théoden. »Kommt und nehmt das an Erfrischungen zu euch, was die Eile erlaubt.«
Sie gingen zurück in das große Haus. Schon hörten sie unten in der Stadt die Herolde rufen und die Kriegshörner blasen. Denn der König sollte ausreiten, sobald die Männer der Stadt und jene, die nahe wohnten, bewaffnet und versammelt werden konnten.
An des Königs Tafel saßen Éomer und die vier Gäste, und auch Frau Éowyn war da und wartete dem König auf. Sie aßen und tranken rasch. Die anderen schwiegen, während Théoden Gandalf über Saruman befragte.
»Wie weit sein Verrat zurückgeht, wer kann das erraten?«, sagte Gandalf. »Er war nicht immer böse. Einstmals, daran zweifle ich nicht, war er ein Freund von Rohan; und selbst als sein Herz kälter wurde, fand er Euch noch nützlich. Aber seit langem hat er nun schon Euer Verderben geplant und die Maske der Freundschaft getragen, bis er bereit war. In jenen Jahren war Schlangenzunges Aufgabe leicht, und alles, was Ihr tatet, wurde in Isengart rasch bekannt; denn Euer Land war offen, und Fremde kamen und gingen. Und immer hattet Ihr Schlangenzunges Einflüsterungen im Ohr, sie vergifteten Eure Gedanken, entmutigten Euer Herz, schwächten Eure Glieder, während andere es beobachteten und nichts tun konnten, denn er hielt Euren Willen gefangen.
Aber als ich entfloh und Euch warnte, da war die Maske für jene, die sehen wollten, zerrissen. Danach spielte Schlangenzunge ein gefährliches Spiel und trachtete immer, Euch zurückzuhalten, Euch daran zu hindern, Eure ganze Kraft zu sammeln. Er war geschickt: lullte die Vorsicht der Menschen ein oder schürte die Ängste, wie es dem Zweck dienlich war. Erinnert Ihr Euch nicht, wie hartnäckig er darauf bestand, dass bei einem ungewissen Unternehmen im Norden kein Mann entbehrt werden könne, während dieunmittelbare Gefahr im Westen lag? Er überredete Euch, Éomer zu verbieten, die plündernden Orks zu verfolgen. Hätte Éomer nicht Schlangenzunges Stimme, die mit Eurem Munde sprach, Trotz geboten, dann hätten diese Orks inzwischen Isengart erreicht und einen hohen Preis mitgebracht. Nicht gerade den Preis, den Saruman mehr als alles andere begehrt, aber zumindest zwei meiner Gefährten, Beteiligte an einer geheimen Hoffnung, über die ich selbst mit Euch, Herr, noch nicht offen sprechen kann. Wagt Ihr Euch vorzustellen, was sie jetzt womöglich erleiden würden oder was Saruman inzwischen zu unserem Unheil erfahren haben könnte?«
»Ich verdanke Éomer viel«, sagte Théoden. »Ein treues Herz mag eine dreiste Zunge haben.«
»Sagt auch«, sagte Gandalf, »dass für schielende Augen die Wahrheit ein schiefes Gesicht haben mag.«
»Meine Augen waren tatsächlich fast blind«, sagte Théoden. »Am meisten von allen verdanke ich Euch, mein Gast. Wieder einmal seid Ihr rechtzeitig gekommen. Ich möchte Euch gern ein Geschenk machen, ehe wir aufbrechen, nach Eurer Wahl. Ihr braucht nur irgendetwas zu nennen, das mir gehört. Allein mein Schwert nehme ich aus!«
»Ob ich rechtzeitig kam oder nicht, bleibt abzuwarten«, sagte Gandalf. »Doch was Euer Geschenk betrifft, Herr, so will ich eins wählen, das mir bietet, was ich brauche: Schnelligkeit und
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