Der Herr der Ringe
ein bitterer Gedanke, dass Boromir in Sichtweite seines Heimatlandes starb.«
»Nicht mehr kann ich sagen, als was ich gesagt habe«, antwortete Frodo. »Obwohl Eure Erzählung mich mit bösen Ahnungen erfüllt. Ein Traumbild war es, was Ihr saht, und nicht mehr, irgendein Schatten eines Unglücks, das sich ereignet hat oder sich ereignen wird. Sofern es nicht tatsächlich eine lügenhafte List des Feindes war. Ich habe die Gesichter von schönen Kriegern aus alter Zeit schlafend unter den Tümpeln der Totensümpfe gesehen, oder es schien so durch seine üblen Künste.«
»Nein, so war es nicht«, sagte Faramir. »Denn seine Werke erfüllen das Herz mit Abscheu, aber mein Herz war von Kummer und Mitleid erfüllt.«
»Doch wie könnte dergleichen in Wirklichkeit geschehen?«, fragte Frodo. »Denn kein Boot hätte von Tol Brandir über die felsigen Berge getragen werden können; und Boromir beabsichtigte, über die Entwasser und die Felder von Rohan heimzukehren. Und wie hätte denn ein Schiff die schäumende Flut der Fälle durchfahren können, ohne in den brodelnden Gewässern unterzugehen, auch wenn es mit Wasser geladen war?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Faramir. »Aber woher kam das Boot?«
»Aus Lórien«, sagte Frodo. »In drei solchen Booten ruderten wir den Anduin hinunter bis zu den Fällen. Auch sie waren Elbenwerk.«
»Ihr seid durch das Verborgene Land gekommen«, sagte Faramir, »aber es scheint, als habet Ihr wenig von seiner Macht verstanden. Wenn Menschen mit der Herrin der Zauberei, die im Goldenen Wald wohnt, zu tun haben, dann mag es sein, dass sie seltsamer Dinge gewärtig sein müssen. Denn es ist gefährlich für sterbliche Menschen, außerhalb der Welt dieser Sonne zu wandeln, und wenige kamen jemals unverändert von dort zurück, heißt es.
O Boromir, o Boromir!«, rief er. »Was hat sie zu dir gesagt, die Herrin, die nicht stirbt? Was hat sie gesehen? Was erwachte damals in deinem Herzen? Warum bist du je nach Laurelindórenan gegangen und nicht auf deinem eigenen Weg gekommen und nicht am Morgen auf den Pferden von Rohan heimgeritten?«
Dann wandte er sich wieder an Frodo und sprach wie vorher mit leiser Stimme. »Auf diese Fragen, nehme ich an, könntet Ihr, Frodo, Drogos Sohn, einige Antworten geben. Aber vielleicht nicht hier und nicht jetzt. Aber damit Ihr nicht immer noch meine Erzählung für ein Traumbild haltet, will ich Euch dieses sagen: Boromirs Horn kehrte schließlich in Wirklichkeit zurück, und nicht nur scheinbar. Das Horn kam, aber es war in zwei Teile gespalten, sei es durch einen Axthieb oder Schwertstreich. Die Bruchstücke wurden einzeln an Land gespült: Eines wurde zwischen dem Schilf gefunden, wo Späher von Gondor Wache hielten, im Norden unterhalb der Entwasser-Mündungen; das andere wurde, in der Flut wirbelnd, von einem gefunden, der einen Auftrag auf dem Wasser hatte. Seltsame Zufälle, aber die Sonne bringt es an den Tag, heißt es.
Und nun liegt das Horn des ältesten Sohns in zwei Stücken auf Denethors Schoß, der auf seinem Thron sitzt und auf Nachrichten wartet. Und Ihr könnt mir nichts darüber sagen, wie das Horn gespalten wurde?«
»Nein, ich wusste nichts davon«, sagte Frodo. »Aber der Tag, an dem Ihr es erschallen hörtet, wenn Eure Schätzung stimmt, war der Tag, an dem wir uns trennten, als ich und mein Diener die Gemeinschaft verließen. Und nun erfüllt mich Eure Erzählung mit Furcht. Denn wenn Boromir damals in Gefahr war und erschlagen wurde, dann muss ich befürchten, dass auch alle meine Gefährten zugrunde gegangen sind. Und sie waren meine Verwandten und meine Freunde.
Wollt Ihr nicht Euren Zweifel beiseiteschieben und mich gehen lassen? Ich bin müde und kummervoll und verängstigt. Aber ich habe noch eine Tat zu tun oder sie zu versuchen, ehe auch ich erschlagen werde. Und Eile ist umso mehr geboten, wenn wir zwei Halblinge als Einzige von unserer Gemeinschaft übriggeblieben sind.
Kehrt zurück, Faramir, tapferer Heermeister von Gondor, und verteidigt Eure Stadt, so lange Ihr könnt, und lasst mich gehen, wohin mein Schicksal mich führt.«
»Für mich gibt es keinen Trost bei unserer Unterhaltung«, sagte Faramir, »aber Ihr schließt daraus auf mehr Schrecken als notwendig. Sofern das Volk von Lórien nicht selbst zu ihm kam, wer hat dann Boromir wie für ein Begräbnis hergerichtet? Nicht Orks oder Diener des Namenlosen. Einige von Eurer Gemeinschaft, vermute ich, sind noch am Leben.
Aber was immer auch in der
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