Der Herr der Tränen: Roman (German Edition)
lag so viel näher bei Althala.
Er hielt Ausschau, ob er nicht irgendwo eine für aller Augen sichtbare Karte fand. Er entdeckte eine Taverne mit offener Tür und duckte sich hinein. Ein schneller Blick in die Runde zeigte, dass er kein Glück hatte, obwohl sein Blick auf einer drallen Schankmagd verweilte. Es gab auch andere – ein Ort mit schönen Frauen.
Weiter, sagte er sich und wandte sich ab. Geh weiter.
Wann immer er feststellte, dass seine Konzentration schwand oder er begehrliche Gedanken entwickelte, stellte er sich Brastons hassenswertes Gesicht vor, und das half jedes Mal. So unversöhnlich war der Mann nach der Verwandlung geworden. So schnell bei der Hand, die Jahre des Dienstes abzutun, die Despirrow am Hof von Althala geleistet hatte, nur weil er einige kleine Grillen entwickelt hatte. All diese Abende, verbracht mit jungen Männern, während sie Wein nippten und die Angelegenheiten des Königreichs diskutierten, hatten am Ende nichts bedeutet. Nachdem er geholfen hatte, die Welt von Regret zu befreien, hätte Despirrow alles tun sollen dürfen, was er wollte, und doch hatte sein alter Freund es sich zur persönlichen Mission gemacht, ihn zu töten.
Auf diese Weise kam Despirrow an Schankmägden vorbei und an Bauernhäusern, die wahrscheinlich voller unschuldiger junger Töchter waren, vorbei an Lagerfeuern am Straßenrand und Huren, die vor Hurenhäusern standen und denen das Mondlicht auf die nackten Brüste fiel … und er blieb auf der Straße, er ging weiter.
Braston hatte für ihn kein schnell wirkendes Gift benutzt, oh nein. Er hatte, dessen war sich Despirrow sicher, ihn wissen lassen wollen, was ihm geschah. Mit getrübter Sicht und sich verwirrendem Geist war er in einem Hurenhaus aus dem Bett gefallen, nicht imstande, die notwendige Konzentration aufzubringen, um im Fadengang Althala zu erreichen, wo Braston wahrscheinlich über ihn gelacht hatte.
Nein, nicht gelacht. Streng gestarrt mit dieser selbstgerechten Miene, zufrieden, dass der Gerechtigkeit Genüge getan worden war.
Zufrieden. Das war schlimmer als Gelächter.
In diesen letzten Momenten, bevor Despirrow überhaupt nichts mehr tun konnte, hatte er jede Hure in seiner Reichweite getötet – Strafe dafür, dass sie ihn unter Drogen gesetzt hatten, dass sie Brastons Willen getan hatten.
War das Gerechtigkeit, du endloser Narr? So glücklich warst du, das Leben anderer zu opfern, wenn es nicht nur das meine kostete.
Nein, er brauchte keinen Schlaf, noch nicht. Die Vorstellung, dass Braston das gleiche Ende fand, wie er es ihm bereitet hatte, gab ihm neue Energie. Das würde wahre Gerechtigkeit sein. Ihn kümmerte es weniger, die Magie zu stehlen, als Brastons Gesicht zu sehen, sobald er begriff, was ihm zugestoßen war.
Also ging er weiter, immer weiter.
»Es müssen jetzt Wochen sein«, bemerkte Yalenna.
»Jawohl«, stimmte Rostigan ihr zu. »Vielleicht Monate.«
Sie waren vor Brastons Schlafzimmer, und sie hockte sich hin, um durchs Schlüsselloch zu schauen.
»Geht es dir gut, Braston?«
Es folgte ein Moment der Stille, dann ein Stöhnen. Der Klumpen im Bett richtete sich auf.
»Pisse und Feuer«, hörte sie ihn murmeln. »Was dauert denn so lange?«
»Wir wissen es nicht.«
»Ist er gestorben? Hat er die Zeit angehalten und es dann irgendwie geschafft, sich töten zu lassen, um uns alle für immer in dieser Starre zu halten?«
Sie sah Rostigan besorgt an – es war etwas, das sie erörtert hatten, aber keiner wusste wirklich, was geschehen würde, wenn Despirrow starb, während die Zeit stillstand.
»Wir glauben es nicht«, antwortete sie. »Gewiss würde sein Tod die Dinge wieder in Gang setzen. Außerdem, wie sollte er sterben?«
»Wen schert das?«, fragte Braston und brach wieder auf seinem Bett zusammen.
»Erholst du dich?«
»Es dauert eine Weile. Ich kämpfe auch gegen Entzündungen. Wäre besser, wenn ich essen könnte oder trinken!«
Yalenna betrachtete den erstarrten Heiler, der immer noch darauf wartete, eingelassen zu werden. Zumindest würde Braston etwas zu trinken bekommen, sobald der Gang der Zeit wieder einsetzte, aber das brauchte sie ihm jetzt noch nicht zu sagen. Es würde ihn vielleicht peinigen zu wissen, wie nah und doch unerreichbar sein nächster Trunk war.
»Wir werden später nach dir sehen«, rief sie.
Sie schlenderten weiter, ohne bestimmtes Ziel. Sie waren bereits viele Male durch die Burg gewandert, und ebenfalls durch die Stadt.
Zumindest hatten Rostigan und Braston
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