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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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wurde, doch die Menschen von Althala hatten sich zu schnell erholt und bereits viele der Leichen weggeschafft. In den alten Tagen hatte Karrak immer dafür gesorgt, dass seine Vögel glücklich waren und als geheiligte Tiere behandelt wurden, die man in Ruhe gelassen hatte, während sie die Früchte der Schlacht gekostet hatten. Vielleicht waren Krähen einfach nicht länger passende Werkzeuge für ihn, denn sie verlangten eine Bezahlung, die Rostigan nicht liefern konnte.
    Warum?, fragte er sich ärgerlich. Soweit es die Toten betraf, gab es kein Recht und Unrecht. Die Krähen hatten den Bewohnern Althalas mehr geholfen, als jemals bekannt werden würde. Was machte es schon aus, wenn sie als Entschädigung ein wenig Leichenfleisch herausrissen? Die Menschen wollten natürlich, dass ihre Toten mit Respekt behandelt wurden, aber es war ein kleiner Preis für den Dienst, den die Krähen geleistet hatten.
    Von den zwei Doppeltüren zum Platz hin wurde diejenige geöffnet, die am weitesten von ihm entfernt war. Wer immer der Neuankömmling war, Rostigan hoffte, dass er nicht lange blieb, denn eben jetzt sehnte er sich nach Einsamkeit – sofern das möglich war, wenn Hunderte kleiner Geister unzufrieden am Rand seines Bewusstseins krähten. Er schaute interessiert in seinen Eintopf, denn er hatte keinen Wunsch, Gesellschaft einzuladen.
    »Du da«, erklang eine tiefe, vertraute Stimme. »Ich suche nach einem Burschen namens Rostigan.«
    Langsam schaute Rostigan auf, um Braston einen gleichmütigen Blick zuzuwerfen. Neben dem König stand Yalenna mit einer gleichermaßen schockierten Miene. Seltsamerweise stellte Rostigan fest, dass er sich freute, sie zu sehen. Sie waren vor der Verwandlung Freunde gewesen, und vielleicht kehrte ein wenig von dem jetzt zu ihm zurück. Er erinnerte sich an die kleinen Späße und langen Gespräche, die sie auf ihrem Weg zu den Gipfeln geführt hatten, damals, als er noch charmant und sie noch glücklicher gewesen war. Er lächelte und nickte ihr zu.
    »Ich wusste es doch!«, donnerte Braston. »Es sind deine Krähen, nicht wahr, Karrak? Das war irgendwie dein Werk!«
    Er griff nach dem Tisch neben ihm, lang genug für zehn Soldaten auf jeder Seite, und warf ihn um, sodass er gegen den nächsten krachte. Dann schritt er durch den Gang, auf Rostigan zu, und zog sein Schwert.
    »Warte, Braston«, sagte Rostigan und erhob sich, um leere Hände zu zeigen. »Ich trage nicht länger diesen Namen, noch habe ich an seinen Gewohnheiten festgehalten.«
    Brastons Gesicht war eine Maske des Zorns, die Rostigans Worte nicht zu durchdringen vermochten. Der Mann brüllte und griff an, und Rostigan brachte sich hinter dem Tisch in Sicherheit – bis Brastons Schwert darauf niedersauste und den Tisch zweiteilte. Etwas von dem Eintopf spritzte Braston ins Gesicht, und er zuckte zornig zusammen.
    »Braston!«, rief Rostigan und wich zurück. »Ich möchte nicht kämpfen!«
    »Hör auf ihn!«, meldete Yalenna sich zu Wort, und sie näherte sich vom gegenüberliegenden Ende des Raums.
    »Nein!«, schrie Braston. »Er hat die Zunge einer Schlange und verdreht Worte ebenso geschickt, wie er auf dem Bauch durch den Schlamm robbt!«
    Er trat zwischen den Überresten des Tisches hindurch, und Rostigan sprang zur Seite, wich knapp einem weiteren gewaltigen Hieb aus. Kurzsichtiger Narr, dachte er, während er rannte und widerstrebend sein eigenes Schwert zückte. Er wirbelte herum und fand Braston dicht hinter sich. Die Klinge des Wächters krachte gegen seine, mit der gesamten legendären Macht Brastons dahinter, und Rostigans ganzer Körper erzitterte. Sie hatten niemals Mann gegen Mann gekämpft, und Rostigan hatte gedacht, dass sie einander ebenbürtig sein würden, wenn es um brutale Kraft ging – aber dieser Hieb belehrte ihn eines Besseren.
    Ein weiterer Streich drückte Rostigans Schwert nach unten. Braston ließ einen gewaltigen Faustschlag folgen. Rostigan stolperte, und sein Auge und seine Wange pochten. Benommen hob er wieder sein Schwert, aber sein Handgelenk brach schmerzhaft, als es zur Seite gedreht wurde. Im nächsten Moment wurde er hochgehoben, während Braston ihn mit der Schulter gegen die Wand rammte. Alle Luft wich aus seiner Lunge, und er fiel auf die Knie.
    Aus den Fluren näherten sich Schritte. Der Aufruhr hatte einige Bewohner der Kaserne geweckt. Yalenna deutete auf die Türen zu beiden Seiten des Raums und wob sie zusammen, sodass sie eins wurden mit der Wand.
    »Lass sie herein!«, rief

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