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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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belastet hat, Herr.«
    »Du überraschst mich. Vielleicht bist du doch ein lohnender Ratgeber.«
    »Ich hoffe es. Doch ich habe eine Frage.«
    »Ja?«
    »Wenn Tallahos Anführer dich nicht länger fürchten – es geht sogar mir so, der ich gerade mit dir rede –, werden sie dir dann noch gehorchen?«
    Forger machte eine geringschätzige Handbewegung. »Es ist eine heikle Sache. Ich gebe nicht vor, die genauen Auswirkungen der Gabe vorauszusehen, die ich gewährt habe. Ich weiß jedoch, dass Begehren sich stark bemerkbar macht, wenn jede Furcht entfallen ist. Manchmal dunkles Begehren, etwas, wovon der Betroffene vielleicht nie zuvor zu sprechen gewagt, geschweige denn danach gehandelt hätte. Aber jeder Narr ist anders, nicht wahr? Falls es zu einem Problem werden sollte, kann man sich immer noch um sie kümmern. Ich hoffe einfach, dass ich sie auf die Dinge hinweisen kann, die sie wollen, und dass sie gehorchen werden, weil sie begehren, was angeboten wird.«
    »Ich verstehe. Es kommt mir ähnlich vor wie das, was mit den Entflochtenen geschehen ist.«
    Forger runzelte die Stirn, denn der Vergleich gefiel ihm nicht. Es stimmte, dass Regret die Entflochtenen erschaffen hatte, indem er ihnen Schmerz und Furcht nahm, unter anderem. Und vielleicht hatte Forger von Regret genau diejenigen Fäden geerbt, die ihm die Erschaffung oder Umwandlung der Entflochtenen ermöglicht hatte. Aber Forger verwandelte Menschen nicht in dumme, hässliche Bestien.
    »Was sie begehren«, sagte er, »ist in der Tat sehr dunkel. Eine Person vergisst sich nicht selbst, wenn ich ihr den Schmerz nehme, Threver. Nein, die Freundlichen werden vielleicht sogar freundlicher oder freimütiger, ihre Liebe zu verschenken. Ich setze meine Hoffnungen darauf«, er deutete mit dem Daumen in Richtung der großen Halle, »dass sie alle dort unten ein Haufen hab- und raffgieriger kleiner Wiesel waren. Ich finde, dass das normalerweise der Fall ist bei Anführern.«
    Threver nickte. »Kann ich dir irgendetwas bringen lassen? Wasser vielleicht, wenn dein Kopf dir Ungemach bereitet?«
    »Ja! Bring mir viel Wasser.«
    Threver gab einem Diener an der Tür ein Zeichen, und dieser huschte hinaus.
    »Wenn doch nur Karrak hier wäre …«, murmelte Forger.
    »Ich habe meinen Herrn diesen Wunsch schon früher aussprechen hören. Darf ich fragen, warum?«
    »Er versteht sich auf Worte. Er bringt die Menschen dazu, das zu tun, was er will, ohne all diese Umstände.« Er merkte ein wenig auf. »Obwohl ich die Umstände zugegebenermaßen mag.« Er trommelte mit den Fingern auf die Armlehne. »Oder Salarkis – warum ist dieser verrottete kleine Vogel noch nicht wieder auf seinen Beinen gelandet? Oder Despirrow oder irgendein anderer von ihnen! Was würde ich nicht darum geben zu wissen, was sie im Schilde führen.«
    »Herr, da ist noch etwas, das dich vielleicht interessieren könnte.«
    »Oh?«
    »Es wird einen kurzen Gang in ein unteres Stockwerk erfordern.«
    »Also schön.«
    Sie gingen zu den Doppeltüren, gerade als der Diener mit einem Wasserkrug zurückkam.
    »Ah! Gib mir das!«
    Forger entriss dem Mann den Krug und kippte ihn über sich aus.
    »So ist es besser! Jetzt geh voran.«
    Sie stiegen eine Treppe hinunter und kamen in einen stillen Flur mit verriegelten, von kräftigen Wachen gesicherten Türen.
    »Das sieht interessant aus«, bemerkte Forger. »Was ist in all diesen Räumen?«
    »Größtenteils Schätze«, antwortete Threver. »Die meisten von ihnen sind nutzlos, müssen aber verwahrt werden. Aber hier drin …«
    Die Wachen traten beiseite, während er an einigen Schlüsseln nestelte. Dann öffnete er die Tür und trat als Erster ein. Forger musste den Kopf einziehen, um ihm zu folgen – war er doch noch größer geworden?
    Der Raum war kühl und leer bis auf einen Spiegel mit Silberrahmen an der Wand. Zögernd trat Forger näher, um sich zu betrachten – ließ die Muskeln spielen und inspizierte sein Gesicht, das auf merkwürdige Weise aufgeschwollen schien, als habe er Steine unter der Haut. Er schaute tief in seine eigenen blauen Augen, für einen Moment verloren in der Überlegung, dass dies er war und dass er in diesem Moment wirklich lebendig war.
    »Nun«, sagte er und drehte sich zu Threver um. »Das ist alles sehr interessant, aber ich nehme doch an, dass du mich nicht hergebracht hast, damit ich über mein Spiegelbild nachdenke.«
    »Ah … nein, Herr. Dieser Spiegel ist etwas Besonderes – er gehört zu einem ganzen

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