Der Herr der Unruhe
Tritte aus, aber er kam nicht los. Voller Schrecken sah er dieses irre Grinsen im Gesicht des Mannes, der sich hämisch auf den Abschluss einer vor langem begonnenen Aufgabe zu freuen schien.
Plötzlich hörte Nico das dumpfe Donnern schneller Schritte.
Von links flog eine Hand heran, packte Manzinis erhobenen Arm und drehte ihn nach hinten. Der Hausherr verlor das Gleichgewicht. Nico konnte sich losreißen und kroch schnell auf den Teppich wie ein Ringer, der jenseits der Kampfzone Zuflucht suchte.
»Uberto!«, hauchte er.
Der Chauffeur war also nicht geflohen. Er musste irgendwo in einem der oberen Stockwerke oder in einem Nebenzimmer gewesen sein. Jetzt ging er auf seinen ehemaligen Befehlshaber und langjährigen Arbeitgeber los.
Die beiden sich nun gegenüberstehenden Kämpfer waren ein-
ander schon eher ebenbürtig. Manzini hatte zwar mehr Masse, aber Uberto war größer und athletischer gebaut. Ersterer besaß indes eine Waffe, Letzterer nur seine größere Beweglichkeit.
»Lassen Sie den Jungen in Frieden, Don Massimiliano!«, forderte der Chauffeur. Er stand vornübergebeugt, seine Arme waren leicht ausgebreitet.
»Auch du, mein Sohn Brutus?«, knurrte Manzini. Er klang
immer noch siegesgewiss. Blitzschnell schoss seine Hand vor.
Uberto reagierte flink. Er wich der spitzen Klinge aus, stieß aber mit der Schulter gegen die Wand. »Geben Sie doch Ruhe, Don Massimiliano. Ist nicht schon genug Blut vergossen worden?«
Die Antwort bestand in einer zweiten Attacke. Uberto konnte nur noch nach hinten stolpern, weil er zwischen der Wand und seinem Gegner eingekeilt war.
»Ein Vorschlag zur Güte«, sagte Manzini. »Um der alten Zeiten willen. Lass mich noch einen Mord begehen, einen ganz kleinen – viel ist an dem Uhrmachersohn sowieso nicht dran.«
476
Nico, immer noch auf dem Teppich hegend, rappelte sich
endlich hoch.
Manzini musste das Zögern seines Fahrers missverstanden
haben, denn er schickte sich an, dem Hüter der Lebensuhr nach-zusetzen, Uberto ging jedoch erneut dazwischen. Die beiden Schwergewichte lagen jetzt miteinander im Clinch.
Nico verfolgte den Kampf auf Leben und Tod mit weit auf-
gerissenen Augen. Sein Herz hämmerte wie wild. Es schien sich Schlag für Schlag die Luftröhre hochzuarbeiten. Immer wieder blitzten Bilder aus seiner Kindheit auf, als schon einmal zwei Männer so miteinander gerungen hatten.
Die Kraftanstrengung der beiden Kontrahenten entlud sich
in Lauten, die dem Beobachter den Schweiß auf die Stirn trieben. Was konnte er tun, um Uberto zu helfen? Während die
beiden ächzten und seltsam brummende Geräusche von sich
gaben, suchte er nach einem Gegenstand, der sich als Schlagwaffe gebrauchen ließ. Vor lauter Aufregung fand er nichts. Derweil wankten die Ringkämpfer stampfend hin und her.
»Nein!«, stieß plötzlich Uberto hervor.
Nico erstarrte. Ungläubig sah er, wie der Chauffeur mit weit aufgerissenen Augen in Manzinis Gesicht glotzte. Dann erschlaffte sein Körper und sank zu Boden. Aus der Brust des Besiegten ragte der Griff des Stiletts.
Der Sieger stand breitbeinig, mit dem Rücken zum Uhrma-
chersohn, über seinem Opfer. Er keuchte, wankte sogar. Unvermittelt bückte sich Manzini und zog seine Waffe aus dem reglosen Körper. Nachdem er die schmale Klinge an der Chauffeursuni-form abgewischt hatte, richtete er sich stöhnend wieder auf.
Nico hätte längst weglaufen können, aber er war wie gelähmt.
Ohne sich von der Stelle zu rühren, beobachtete er seinen Gegner, der fast schon wieder gerade stand, als er plötzlich nach vorne kippte. Um nicht zu stürzen, aber auch nicht auf den am Boden liegenden Körper zu treten, versuchte Manzini über Ubertos Unterleib hinwegzusteigen. Dabei blieb er mit der Fußspitze an dessen Becken hängen, ruderte eine Weile hilflos mit den Armen, 477
drohte nun endgültig nach hinten zu schlagen, als ihm im letzten Moment doch noch ein Ausfallschritt gelang. Polternd wankte er rückwärts, mit den Armen in der Luft weiterhin um die Balance kämpfend …
Das erste Stampfen – er ruderte immer noch. Ein zweites,
gefolgt von einem metallenen Geräusch. Und dann das für Massimiliano Manzini schrecklichste Knirschen seines boshaften Lebens.
Nico stockte der Atem. Manzini war auf die Lebensuhr ge-
treten, sein schwerer Körper hatte sie regelrecht zermalmt. Das Stilett klapperte auf die Steinfliesen. Als könne er durch sein Zö-
gern noch ungeschehen machen, was da eben passiert war, wagte er nicht, den
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