Der Herr der Unruhe
Lichthof hinunter, wo Don Massimilianos Kopf Michelangelos Adam verunzierte. Ob Brunos Vater diesen Unsinn aus schierer Geldnot mitgemacht hatte? Vielleicht war das Mosaik für ihn ja eine willkommene Gelegenheit gewesen, Manzinis wahres Ich bloßzustellen, das des eitlen, dün-kelhaften Menschen, der sich als Krone der Schöpfung sah?
Unschlüssig blickte sich Nico um. Von Laura immer noch
keine Spur. Er wanderte einmal mehr die Galerie bis zum Ende hinauf. Als er vor der Stirnwand kehrtmachen wollte, öffnete sich hinter ihm die Tür von Manzinis Arbeitszimmer, und er vernahm eine Stimme, die ihn aufhorchen ließ. Sie gehörte nicht etwa Don Massimiliano, sondern Amore, dem SS-Sturmbannführer aus der Deutschen Botschaft in Rom.
»Der Führer zählt auf Sie, Signor Manzini.«
Ja, der schwere deutsche Akzent war unverkennbar. Don Massimiliano zog inzwischen also das persönlich Gespräch mit Karl Hass dem Telefonieren vor. Was heckten die beiden aus? Nico huschte in die Schatten eines Türsturzes.
Zwei Männer traten aus dem Arbeitszimmer, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Manzini kontrastierte mit seinem 177
schweren Körperbau und einer silbrig glänzenden Weste über den Hemdsärmeln mit einem aschblonden, schlanken, nicht sehr großen Mann in einem schlecht sitzenden grauen Anzug. Nico sah den Deutschen lediglich kurz von der Seite, danach nur noch von hinten. Manzini schloss das Büro ab, legte seinem Gast die Hand auf die Schulter und geleitete ihn zur Treppe. Er bemühte sich, seine raue Stimme nicht allzu laut tönen zu lassen.
»Seien Sie unbesorgt, mein Lieber. Es mag schwierig sein, aber ich werde mein Bestes tun. Sie nicht zu enttäuschen.«
»Das hört man gern. Nur zu Ihrer Beruhigung: Der Reichsführer SS bleibt niemandem etwas schuldig. Er hat mich bevollmächtigt, Ihnen schon jetzt jede notwendige Unterstützung zu gewähren, vorausgesetzt, die Geheimhaltung wird nicht verletzt.«
»Dessen können Sie versichert sein, Signor Hass. Bestellen Sie bitte Signor Himmler, er kann sich auf mich verlassen.«
»Und wegen dieser zweiten Angelegenheit …«
»Wenn die Zeit gekommen ist, wird das Oberkommando der
Wehrmacht über alles Nötige verfügen.«
»Gut. Dann werde ich Ihre Botschaft so an den militärischen Stab des Führers übermitteln.«
»Tun Sie das. Wir halten weiter Kontakt, bis …«
Mehr konnte der Lauscher in den Schatten nicht verstehen.
Die zwei Waffenbrüder waren über die Treppe nach unten entschwunden. Der Hall ihrer Stimmen wurde rasch leiser.
Nico musste erst ein paar Mal tief durchatmen, bis er das Gehörte einigermaßen verdaut hatte. Wenn Don Massimilianos Geheimnis eine Truhe mit sieben Schlössern war, dann hatte er soeben den zweiten Schlüssel dazu bekommen. Jedenfalls gab es nun keine Zweifel mehr daran, dass Amore mit dem SS-Offizier Hass identisch war. Der Sturmbannführer hatte Manzini die Unterstützung Heinrich Himmlers zugesagt. War Don Massimiliano ein Spion? Zur bestimmten Zeit wird sein Fuß wanken. Falls es gelänge, einen derartigen Verrat am eigenen Land zu beweisen, dann würde es für Don Massimiliano keine Protektion mehr
geben. Das Ziel schien zum Greifen nah.
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Aber was war mit »dieser zweiten Angelegenheit«? Manzini
hatte das Oberkommando der Wehrmacht erwähnt. Was um alles in der Welt hatte der Vorsteher einer kleinen italienischen Stadt mit der deutschen Heeresleitung zu schaffen? »Geschäfte?«, flüsterte Nico, als könne er dadurch den Wahrheitsgehalt des Wortes schmecken. Manzini besaß bis nach Neapel hinab und im Norden bis weit über Rom hinaus etliche Firmen. Wer wie er keine Skrupel hatte, der konnte sich in Kriegszeiten eine goldene Nase verdienen. Nachschub hieß das Zauberwort, das schon über Sieg oder Niederlage mancher Armee entschieden hatte. Nur – und diese unbequeme Frage stimmte den Beobachter im Schatten unzufrieden –, warum half der angeblich so patriotische Podestà von Nettuno nicht seinem geliebten Duce bei der Rüstung, sondern verhandelte mit den Deutschen …?
»Herr Michel?« Lauras Rufen zerrte Nico aus der Versunkenheit. Schnell trat er unter dem Sturz hervor, um sie mit seiner Heimlichtuerei nicht unnötig zu beunruhigen. Sie kam in diesem Moment die Treppe hinauf und eilte ihm lächelnd entgegen. Nico erstarrte.
»Was ist?«, fragte sie.
»Wird Zeit nachzuschauen, ob die Lebensuhr noch tickt«,
antwortete er tonlos. Seine Augen sahen nicht ihr wunderbares Lächeln. Sie blickten über
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