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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dies alles nichts als eine läppische Komödie. Eine Satansloge? Nichts als ein Vorortverein pickeliger Münchner Jugendlicher – Dennoch …
    Und da waren sie, umbraust vom Orgelklang: Sie trugen Kapuzenmäntel, schwarz und glänzend, es war Mitternacht, die Stunde der Schwärze … Und dann noch diese Augenschlitze. In dem bißchen Licht funkelte es darin wie zerbrochene Glasstücke.
    Tommi korrigierte den Bildausschnitt.
    Aber es war nun einmal zu dunkel, als daß er die Kamera fixieren konnte. Alles war total unsinnig – und trotzdem, er fühlte etwas im Hals, das ihm sonst fremd war, und erinnerte sich plötzlich an eine Nacht vor vielen Jahren: Ein brennendes Holzkreuz und ein Haufen Verrückter in den Mänteln des Ku-Klux-Klan. Die waren nicht schwarz, sie waren weiß gewesen. Sie hatten sogar Gewehre dabeigehabt. Sie zogen sie aus ihren Hüllen. Er, Tommi, hatte ungerührt mit der Kamera draufgehalten … Wieso eigentlich empfand er die jetzige Situation viel beklemmender als die Nacht damals in Alabama? Vielleicht, weil der Ort nicht Huntsville hieß, sondern Gräfelfing? Nein, das war nicht logisch … Und das hier? War das logisch: die Schritte, das Schlurfen … Sie hatten sich zu einer Zweierreihe formiert und rückten langsam näher. Die Orgel jubilierte, Kyrie eleison … Tommi drückt zum ersten Mal auf den Auslöser.
    Nein, nichts war logisch! Bei diesen Alabama-Hinterwäldlern hatte es sich um gefährliche Schlägertypen gehandelt, Erzreaktionäre, Leute, die vom Lynchen träumten und darin auch noch eine Tradition aufzuweisen hatten. Die hier dagegen? Die Herrschaften von der Satansloge? Kleine Jungen, Kids.
    Wieder knallten die Trommelschläge los, schrien die Gitarren, stampften die fromme Inbrunst des Johann Sebastian Bach in den Zementboden – oder jagten sie zum Teufel … Mit dem hatten sie's ja. Sie schmissen die Arme hoch, kreischten irgend etwas unter ihren Kapuzen, knallten mit den Absätzen ihrer Springerstiefel. Die hier? Kinder aus der Vorstadt, und die dazugehörenden Eltern saßen vor ihren Fernsehern und sahen sich die Harald-Schmidt-Show an. Oder pennten in ihren Reihenhäusern.
    »Na?« Axel Köhler stieß Tommi den Ellbogen in die Rippen. Er mußte ihm ins Ohr schreien, so laut war der Krach.
    »Tolle Kapuzen!« rief Tommi zurück. »Haben Sie die verhökert?«
    »Klar«, grinste Köhler.
    Tommi hatte nicht mal ein Kopfschütteln …
    »Tu, was du willst. Sei das Gesetz!« brüllte es.
    »So sei es«, flüsterte es zurück.
    Die Hebebühne war zum Altar geworden. Den pfahllangen Typ in der schwarzen Satansvermummung, der davor stand, hatte Tommi sofort erkannt: ›Bruder Jakob‹, Logenchef und Satanspriester. Sein linker, langer, knöcherner weißer Zeigefinger zog Kreise durch die Luft. »Tu, was du willst!« dröhnte es von den Wänden.
    ›Bruder Jakob‹ genügte das nicht.
    »Was uns gefällt, das wird zur Welt … O hoher Fürst, o Satan, Luzifer und deine Diener – kommt zu uns!«
    »Kommt zu uns!« schrien sie, schrien durcheinander, traten im Kreis zum Altar, umringten Jakob, der jetzt langsam seine Kapuze zurückzog und ein hageres, fanatisch verzerrtes Gesicht entblößte.
    Im Versteck stieß Köhler einen heiseren Laut aus. Tommi war sich nicht klar, ob es Begeisterung oder Belustigung bedeutete. Es war auch nicht wichtig. Wichtig war allein, daß er selbst seine Gedanken auf die Reihe bekam. Wichtig wäre auch gewesen, daß dieser Verrückte dort einen oder zwei Schritte nach links machte, so daß ihn der Spot besser ausleuchten konnte. Einen Meter nach links, na los, mach schon! Und da tat er es auch und riß den Mund auf. Prima!
    »Christus! Sklave der Sklaven. Wir verachten dich!«
    »Verachten dich …«
    Reinecke hatte beschlossen, die ganze Angelegenheit so anzugehen, wie sie es verdiente: mit Humor. Vor allem mit Ruhe. Was er brauchte, waren ein paar gute Aufnahmen, dann etwas wie eine Gliederung, einen Ablauf. Die Leute dort waren bescheuert, na und? So was ist heutzutage normal. Das sagte Tommi sich und handelte entsprechend. Er drückte auf den Auslöser, ließ die Kamera leicht nach rechts schwenken – und noch einmal. Ja, und da stand er, ›Bruder Jakob‹, die Nase schmal wie eine Messerklinge. Der Spot zeichnete den Schlagschatten. Eine Fratze wie die Teufelsmaske einer Basler Fastnachtsaufführung. Genau das, was du brauchst, Tommi!
    Auch die sechs um ihn hatten jetzt ihre Kapuzen herabgerissen: Kalkgesichter. Pickelgesichter. Jungen, Verrückte

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