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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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und holte sie nur heraus, um darin zu lesen, wenn alle anderen im Hause schliefen. Außer den Büchern hatte sie keine Freunde. Bis… bis eines Tages ein junger Mann in die Schmiede kam, weil sein Pferd ein Hufeisen verloren hatte. Er entdeckte die Frau, die sich im Schatten versteckte, und es gelang ihm sogar, ihr ein paar Worte zuzuflüstern. Das machte ihr Mut. In den nächsten Wochen stahl sie sich immer wieder für einige Minuten aus dem Haus und traf sich mit ihm dahinter in der Gasse. Dann redeten sie über ihre Hoffnungen und ihre Träume. Und die junge Frau lernte zu lächeln – zum ersten Mal in ihrem Leben.«
    Der Manteceros zögerte, und als er fortfuhr, war seine Stimme heiser vor Schmerz. »O weh!«
    Maximilian und Cavor stolperten und riefen ebenfalls: »O
    weh!«

    »O weh! Schließlich faßte sie den Entschluß, mit dem jungen Mann zu fliehen. Sie verabredeten sich eines Nachts in einem nahe gelegenen Wirtshaus. Dort wollten sie ihre Liebe besiegeln, um dann voller Hoffnung in die Welt hinaus zu ziehen. Doch unsere junge Frau war nicht vorsichtig genug.
    Sie hatte es so eilig, dem väterlichen Haus den Rücken zu kehren, daß sie es unterließ, das Geschirr, das sie nach dem Abendessen gespült hatte, noch abzutrocknen. Ihre Brüder waren über diese Nachlässigkeit so erbost, daß sie ihr folgten.
    Sie fanden sie genau in dem Moment, als die Lippen ihres Geliebten zum ersten Mal ihren Mund berührten.«
    Der Manteceros schluchzte auf. König und Prinz senkten für einen Augenblick die Schwerter. Beide waren vor Entsetzen grau im Gesicht.
    Die Geschichte des Manteceros nahm sie so gefangen, daß sie einander kaum noch wahrnahmen.
    »Mit wütendem Gebrüll packten sie ihn und warfen ihn zu Boden. Es waren starke Männer, sie hätten ihn schnell töten können, aber sie ließen sich Zeit und quälten ihn. Seine Schreie schallten durch die Nacht, doch alle Läden blieben geschlossen, und niemand öffnete ein Fenster, um nachzusehen, was da vorging. Niemand. Als er tot war, nahmen sie sich ihre Schwester vor. Zwei hielten sie fest, und der dritte stach ihr mit seinem Messer die Augen aus, auf daß sie nie wieder einen Mann ansehen könne.«
    »O ihr Götter«, flüsterte Maximilian. Beinahe wäre ihm das Schwert entglitten. Cavor griff sich stöhnend an die Stirn.
    Doch beide erholten sich rasch und nahmen ihren Kampf wieder auf.
    »Nun konnte sie nicht einmal mehr in ihren geliebten Büchern lesen. Nachts saß sie stundenlang in ihrem Bett und blätterte die Seiten um. Der Schmerz verwüstete ihr tränenloses Antlitz. Nichts war ihr mehr geblieben.« Der Manteceros hielt kurz inne, um sich zu fassen, dann fuhr er fort: »Ihr Vater wurde alt und starb, die Brüder heirateten und brachten ihre Frauen mit ins Elternhaus. Sie blieb für alle die Magd. Blind tastete sie sich durch die Räume, nicht immer konnte sie es vermeiden, sich an den Möbeln zu stoßen, die man ihr absichtlich in den Weg stellte, nicht immer entging sie den Knüffen und Püffen ihrer Schwägerinnen. Nichten und Neffen wurden geboren, wuchsen heran und wurden so hart und grausam wie ihre Eltern. Die Frau lernte, Schläge und Stöße mit gesenktem Kopf über sich ergehen zu lassen und sich in ihr Schicksal zu fügen.«
    Cavor fing an zu weinen, rang schluchzend nach Luft und schwenkte sein Schwert ziellos in der Luft herum. Maximilian erging es nicht besser; er stützte sich mit zuckenden Schultern auf seine Waffe und bedeckte mit einer Hand die Augen.
    Garth beobachtete sie mit wachsender Sorge – was hatte das zu bedeuten?
    Der Manteceros fuhr gnadenlos fort: »Nach einigen Jahren gewahrte sie hinten in der Gasse ein Wesen, von dem ihr Zuneigung entgegenschlug. Es war ein großer, zottiger Hund, ein herrenloses Tier, das jemand ausgesetzt hatte. Mit der Zeit gewöhnte er sich an sie, fraß ihr die Abfälle aus der Hand, die sie ihm vorsichtig reichte, und leckte ihr hinterher dankbar die Finger. Er war ihr einziger Freund, und irgendwie kam sie auf den sonderbaren Gedanken, mit ihm sei die Seele ihres Geliebten zu ihr zurückgekehrt. Die Vorstellung tröstete sie in ihrem Unglück. Eines Tages streunte der Hund umher, wie Hunde es gern tun, und fing ein tollwütiges Eichhörnchen, das sich in Ruens Gassen verirrt hatte. Das Eichhörnchen biß ihn, der Hund jaulte überrascht auf und ließ es los. Zwei Tage später brach auch bei ihm die Tollwut aus.«

    Im Stollen war es totenstill geworden. Cavor und Maximilian hatten, von Trauer

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