Der Herr des Traumreichs
»Hier.«
Cavor sah sich um. Man merkte ihm nicht an, ob er Bedenken hatte – sein Gesicht war in den tiefen Schatten ohnehin kaum zu erkennen. »Ein guter Platz zum Sterben, Thronräuber. Seid Ihr bereit?«
Er zog rasselnd sein Schwert aus der Scheide, und Maximilian tat es ihm nach. Egalion und Garth zogen sich hastig einige Schritte hinter die Gegner zurück.
»Ihr Männer«, mahnte der Manteceros und schlurfte unerschrocken einen Schritt näher, »noch ist es Zeit, diesen sinnlosen Zweikampf abzusagen. Mit einer einfachen Geschichte läßt sich entscheiden, wer…«
»Schweig, du lästiger Trauerkloß!« fauchte Cavor und drohte ihm mit seinem Schwert; Ravenna griff hastig in die steife Mähne und zog den Manteceros aus der Gefahrenzone.
Cavor hatte Maximilian unterschätzt. Verglichen mit seinem eigenen muskulösen Körper, wirkte der Prinz eher hager, man sah ihm nicht an, welche Kräfte er sich in siebzehn Jahren zermürbender Arbeit in den Minen erworben hatte. Er nahm Cavors ersten Hieb an, parierte ihn und ging dann seinerseits zum Angriff über. Doch Cavor wehrte sich mit grimmiger Entschlossenheit, und wenig später mußte Maximilian erst einen, dann einen zweiten und schließlich drei weitere Schritte zurückweichen.
Cavor lächelte.
Er hatte einen Anfangserfolg errungen, doch bald kam Maximilian seine überlegene Ortskenntnis zugute. Das Dunkel war sein Freund, das Hangende sein Verbündeter. Die Finsternis war ihm vertraut wie eine Geliebte, und er setzte sie ein wie eine zweite Waffe. Er verschwand in den Schatten, schoß unversehens wieder hervor, übersprang geschickt die Steine, über die Cavor stolperte – und einmal beinahe stürzte –, und ließ sich wieder von der Dunkelheit einhüllen, trösten und wiegen wie schon so viele Jahre zuvor.
Während er eins wurde mit Schatten und Finsternis, kämpfte Cavor fluchend dagegen an und bekam dabei den klebrigen Glommstaub in den Mund, den er ausspucken mußte, um nicht zu ersticken.
Bald wurde ihm klar, warum Maximilian nur die leichte Hose angezogen hatte. Ihm lief der Schweiß in Bächen über den Körper und sammelte sich in kleinen Pfützen unter dem Harnisch. Mit der Zeit wurde die Haut wundgescheuert, und das schmerzte. Cavor war ein kräftiger Mann, daran gewöhnt, in voller Rüstung zu kämpfen, doch selbst der leichte Brustpanzer wurde ihm bald so schwer, als hätte man ihm Felsblöcke auf Rücken, Schultern und Arme geschnallt.
Maximilian hatte dagegen noch kaum einen Tropfen Schweiß vergossen.
Cavor trat atemlos zurück und pumpte verzweifelt Luft in die brennenden Lungen, nur um sie sofort wieder mit einem einzigen Wutschrei zu vergeuden und sich abermals auf Maximilian zu stürzen.
»Nein, wirklich!« murmelte der Manteceros und rieb den Kopf an Ravenna. Das Gesicht des Mädchens war bleich und glänzte vor Schweiß; Maximilian hielt sich wacker, aber sie konnte sich nicht vorstellen, daß er sich tatsächlich als der Stärkere erweisen sollte.
»Meine Liebste«, sagte der Manteceros leise, »ich muß die Prüfung durchführen. Das Schwertergerassel bringt uns nicht weiter – und am Ende kommt dabei noch der wahre König ums Leben.«
Ravenna riß den Blick nur widerwillig von Cavor und Maximilian los. War das soeben ein versteckter Hinweis gewesen, daß der Manteceros auf Maximilians Seite stand?
»Egalion steht zwischen mir und den beiden Männern, Ravenna. Könntest du ihn vielleicht nach hinten ziehen?
Danach mußt du dich neben mich stellen, mit einer Hand fest in meine Mähne fassen und mit der anderen meinen Hals streicheln, damit ich den Mut für die Prüfung aufbringe. Sie ist nämlich sehr schmerzhaft.«
»Aber du sagtest doch, du würdest ihnen kein Leid zufügen!«
rief Ravenna.
»Ihnen nicht«, entgegnete der Manteceros, und Ravenna sah, daß er den Tränen nahe war. »Aber die Prüfung ist so traurig, daß sie mir wie ein Schwert durchs Herz gehen wird. Und jetzt tu, was ich dir sage.«
Zaghaft zupfte Ravenna Egalion am Ärmel. Der Mann zuckte zusammen. Er hatte nur auf die beiden Kämpfer geachtet.
»Bitte«, murmelte das Mädchen und bedeutete ihm, hinter sie und den Manteceros zu treten.
Egalion blinzelte. Er drehte sich noch einmal nach Maximilian und Cavor um, dann sanken seine Schultern müde herab. Er stand zwar hinter Cavor, beobachtete das Duell aber so, als wäre er Maximilians Waffengefährte. Er wollte nicht, daß der Prinz den Tod fand.
Noch einmal prallten die beiden Klingen heftig
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