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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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hörte Männerstimmen — vermutlich waren es die Wachen — und preßte sich gegen das rauhe Mauerwerk, das sich schmerzhaft in ihren wunden Rücken drückte. Die Bretter knarzten unter ihren Füßen.
    »Was war das?«
    »Was? Du hörst dein eigenes Schmatzen, Dummkopf.«
    »Ich seh' mal nach. Du kennst Thrasco.«
    Laren vergaß den Schmerz in ihrem Rücken. Sie stand reglos, sah den sich nähernden Schatten. Sie hörte auf zu atmen. Er machte noch einen Schritt in ihre Richtung und verharrte horchend.
    Aus dem Hintergrund rief die andere Männerstimme: »Ich hab' doch gesagt, es ist nichts. Komm und trink. Oder gib mir dein Bier. Hier ist niemand.« Einem Grunzen folgte ein lautes Rülpsen. Ein dritter lachte. Der Schatten zog sich zurück.
    Sie atmete langsam aus und wartete lange, bevor sie wieder eine Bewegung wagte. Lautlos schlich sie an die Wand gedrückt weiter, sich stets links haltend, wenn der Flur sich zweigte. Bald hörte sie wieder Stimmen, glaubte sogar Thrascos Stimme herauszuhören. Sie mußte in der Nähe des Speisesaals sein, wo der Fettwanst sich am liebsten aufhielt.
    Endlich gelangte sie an eine schmale Tür, hob den Eisengriff und huschte ins Freie auf eine Gasse, in der es nach Abwasser, Kot und Urin stank. Wie konnte Thrasco nur in einem sauberen Haus leben und solchen Schmutz an seiner Türschwelle dulden, schoß es ihr durch den Kopf.
    Freiheit. Sie stieß einen Seufzer aus, der ihr den wunden Rücken brennend in Erinnerung rief. Sie spürte eine klebrige Nässe, vermutlich waren die verkrusteten Striemen wieder aufgeplatzt und bluteten.
    Sie hatte es beinahe geschafft. Ihr Rücken würde wieder heilen, aber nicht in Thrascos Haus, nicht in Kiew. Sie würde Taby holen und mit ihm nach Norden wandern, nach Tschernigow, eine Stadt am Ostufer des Dnjepr, von der eine Sklavin gesprochen hatte. Der Ort konnte nicht mehr als drei Tagesmärsche entfernt sein. Irgendwo würde sie Kleider stehlen und sich als Witwe und Taby als ihren Sohn ausgeben.
    Sie würden beide überleben. Sie hatte die erste Gelegenheit zur Flucht ergriffen. Niemand vermutete, daß sie mit ihrem zerschundenen Rücken einen Fluchtversuch wagen würde.
    Plötzlich hörte sie leise Männerstimmen, rechts von ihr in der Gasse. Jemand schlich in ihre Richtung. Diebe ... Oder Thrascos Männer. Sie schloß die Augen. Alle Götter hatten sich gegen sie verschworen. Dann drückte sie sich gegen die dunkle Hauswand. Ihr Fluchtweg war abgeschnitten. Sie konnte nur zurück in Thrascos Haus.
    Die Stimmen verstummten. Dann hörte sie leise Schritte. Es waren zwei Männer. Nur zwei. Wenn es Diebe waren, hatten sie kein Interesse an ihr. Aber sie hatte die Eindringlinge ertappt, und deshalb würde man sie umbringen.
    Sie saß in der Falle. Wenn man sie entdeckte, war sie verloren — und Taby mit ihr. Sie schmiegte sich an Wand und flehte, ein Wunder möge sie mit der Mauer verschmelzen lassen.
    Eine Männerstimme raunte: »Dort hinten muß der schmale Einlaß sein. Der Bursche wurde nicht zu den anderen Sklaven gebracht. Er liegt in einer Kammer im Haus . . .«
    Sie waren dicht bei ihr. Sie konnte nicht einfach stehenbleiben und so tun, als sei sie unsichtbar. Sie mußte einen
    Überraschungsangriff wagen und losrennen ... Sie sprang den ersten Mann an und trommelte ihm die Fäuste ins Gesicht.
    »Was im Namen der Götter ...! Da will mir einer an die Gurgel!« Oleg, ein großer, starker Krieger, erwischte den Arm des Angreifers, wirbelte ihn herum und zischte ihm ins Gesicht: »Was will die kleine Ratte?«
    Der andere Mann flüsterte: »Still, Oleg! Halt den Mund! Willst du uns Thrascos Wachen auf den Hals hetzen?«
    Während der zweite sprach, befreite Laren ihren Arm und schlug dem ersten die Faust in den Unterleib. Der grunzte und packte wieder zu. Es gab einen stummen Kampf, da Laren ebensowenig wie die Fremdlinge die Wachen auf sich aufmerksam machen wollte. Ihr Kampf war aussichtslos. Der Kerl umspannte ihre Handgelenke mit einer Hand wie mit einer Eisenklammer, die andere hob er drohend zur Faust. Wenn er sie damit traf, war es aus mit ihr.
    Blitzschnell und mit aller Kraft schlug sie ihm ihre Zähne in den Handrücken. Der Mann unterdrückte einen Schmerzensschrei. Sie schmeckte sein Blut, ließ aber nicht locker. Nun stürzte sich der andere auf sie. Seine Hände umklammerten ihren Hals und drückten zu. »Laß los, oder ich erwürge dich.«
    Sie ließ los. Der Gebissene wich leise fluchend einen Schritt zurück. Die Hände des

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