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Der Herr von Moor House

Der Herr von Moor House

Titel: Der Herr von Moor House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Ashley
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in so heißen Zorn hineingesteigert, dass sie ihre Manieren vergaß und dem alten Diener nicht mehr zuhörte. Ohne anzuklopfen, rauschte sie in die Bibliothek, wo das Objekt ihrer Empörung seelenruhig am Tisch saß und einen Brief schrieb.
    Bei ihrer Ankunft hob er nicht einmal den Kopf, was ihre Entrüstung noch schürte. “Ich möchte mit dir sprechen, Christian.”
    Endlich hielten die langen schmalen Finger inne, die den Federkiel umfassten. Er blickte auf und musterte Megans gerötete Wangen, die zu ihrem ungestümen Auftritt passten. Mit einem solchen Wutausbruch rechnete er schon tagelang. Seit dem Besuch bei den Fortescues schien sie unter einer starken inneren Anspannung zu stehen, die irgendwann explodieren musste. “Setz dich, Megan”, bat er höflich.
    “Nicht nötig!” stieß sie hervor. “Was ich zu sagen habe, dauert nicht lange. Als Vormund magst du dir das Recht zubilligen, meine Nichte so zu behandeln, wie du es für richtig hältst. Aber wenn du dich jemals an ihr vergreifst, werde ich dich mit dem größten Vergnügen erschießen!”
    Ihr geplanter majestätischer Abgang wurde etwas beeinträchtigt, weil Giles unerwartet in der Tür erschien. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, musste sie ihre Schritte verlangsamen und ihm ausweichen. Erstaunt blickte Giles ihr hinterher, wie sie durch die Halle stürmte, dann trat er grinsend in die Bibliothek. “Kann ich meinen Ohren trauen, Bruderherz? Hat Megan soeben gedroht, dir eine Kugel in die Brust zu jagen?”
    “Vielleicht wird es dich erleichtern, wenn ich dir versichere, dass du nach wie vor ein ausgezeichnetes Gehör besitzt”, erwiderte Christian sarkastisch. “Leider weiß ich nicht, womit ich diese plötzliche Mordlust heraufbeschworen habe. Aber ich bin sicher, du wirst mich aufklären.”
    “Warum, zum Teufel, sollte ich das können?” Giles sank in den Lehnstuhl vor dem Schreibtisch und zog unschuldig die Brauen hoch.
    “Weil du dich freundlicherweise erboten hast, mit meinem Mündel auszureiten, als der Verwalter direkt nach dem Lunch zu mir kam und meine Anwesenheit woanders erforderlich war. Hattest du zufällig eine … kleine Meinungsverschiedenheit mit Sophie?”
    Da ging dem jungen Mann ein Licht auf. Stöhnend verdrehte er die Augen. “Ja, zufällig.”
    Christian lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine Miene war unergründlich. “Auf die Gefahr hin, neugierig oder indiskret zu erscheinen – dürfte ich erfahren, worum es ging?”
    “Um nichts Besonderes.” Schuldbewusst zuckte Giles die Achseln. “Ein alberner Streit …”
    “Würdest du dich etwas genauer ausdrücken?”
    Obwohl Giles schon einundzwanzig war, fühlte er sich immer noch wie ein verlegener Schuljunge, sobald ihn sein Bruder mit knappen Worten maßregelte. Und da er – wenn auch unbeabsichtigt – Schwierigkeiten zwischen Megan und Christian verursacht hatte, musste er sich wohl oder übel zu einer Erklärung bequemen. “Offen gestanden, irgendwas an diesem Maler gefällt mir nicht”, fügte er hinzu, nachdem er die Ereignisse geschildert hatte.
    Nur sekundenlang glitt Christians Blick zum Porträt seiner Frau hinauf, das über dem Kamin hing. Dann lächelte er verständnisvoll. Gelegentlich konnte die Eifersucht auch die vernünftigsten Gentlemen zu Dummheiten verleiten. Giles fühlte sich offensichtlich zu Sophie hingezogen. Und falls sich die beiden in drei oder vier Jahren verloben wollten, würde Christian keine Einwände erheben. “Schau nicht so unglücklich drein, mein Junge”, erwiderte er beschwichtigend. “In ein oder zwei Tagen wird der Zwischenfall vergessen sein. Falls ich Sophies Charakter richtig einschätze, ist sie nicht nachtragend.”
    “Vielleicht nicht – aber Megan?”, seufzte Giles. “Noch nie habe ich sie so wütend gesehen. Ich gehe lieber zu ihr und kläre sie auf.”
    “Mach dir keine Sorgen. Bald wird sie ihren Irrtum erkennen.”
    Giles schüttelte verwirrt den Kopf. “Wie kommt sie nur auf den Gedanken,
du
könntest Sophies Zorn erregt haben?”
    “Keine Ahnung. Gerade sie müsste wissen, dass ich noch nie in meinem Leben eine Frau geschlagen habe. Aber da ich ein Mann aus Fleisch und Blut bin – und wenn man mich lange genug provoziert …” Christians dunkle Augen verengten sich. “Natürlich hat Sophie nichts von mir zu befürchten. Aber was ihre Tante betrifft, kann ich das nicht behaupten. Diese junge Dame kann einen tatsächlich auf die Palme bringen.” Während Giles in Gelächter

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