Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
Vom Netzwerk:
er. Wenige Minuten später betrat er eine Tischlerwerkstatt. Er war noch ganz verstört und fühlte sich hundeelend. Die Tür schloss sich hinter ihm, und er wartete.

12
    Der Meister befand sich nicht im Raum, einer Art kleinem schmuddligen Büro. Ein abgenutzter, geschwärzter Tannenholzfußboden, ein Tisch aus schwarzem Holz, ein alter Kalender an der Wand; in einer Ecke der Schmutzabdruck eines Ofens, zwei Stühle, deren Strohbezug schon halb zerfetzt war, das war die ganze Möblierung. Trennwände aus Brettern. Hinten eine Türöffnung, aus welcher Werkstattgeräusche drangen, zwei unregelmäßige Schlagfolgen, die sich überlagerten, jedoch nicht durcheinandergerieten.
    Jacquemort ging auf die Werkstatt zu.
    »Ist jemand da?«, fragte er halblaut.
    Die Schläge verstummten nicht, und er trat in die Werkstatt ein. Von oben schien Tageslicht herein. Es war ein langer, ziemlich geräumiger Schuppen, übervoll von Brettern, starken Bohlen, und einem Durcheinander von halbfertigen Sachen. Es gab drei oder vier Werkbänke, eine kleine Bandsäge, eine Bohrmaschine, eine Fräsmaschine, deren gusseiserner Sockel geborsten schien. An den Wänden verschiedenerlei Werkzeug, nicht allzu viel. Rechts neben der Tür, durch die Jacquemort soeben eingetreten war, ein riesiger Haufen Sägemehl und Späne. Ein starker Geruch von Leim hing in der Luft. Der klebrige Topf, der diesen enthalten musste, köchelte auf einem kleinen Holzkohleofen am anderen Ende des Schuppens vor einer zweiten Tür, die sich zu einem Garten hinaus öffnete. Von den durchhängenden Deckenbalken baumelten verschiedene Gegenstände, alte Sägeblätter, eine grüne Maus, Werkzeuge in schlechtem Zustand, Schraubzwingen, alles alter Plunder.
    Gleich links, vom Boden abgehoben durch zwei feste Holzböcke, lag ein enormer Eichenstamm. Rittlings auf diesem mühte sich ein kleiner Lehrling mit großen Beilhieben ab, einen viereckigen Balken daraus zu machen. Er war ganz zerlumpt, und seine mageren Arme hatten Mühe, die Axt zu führen. Weiter drüben nagelte der Meister gerade einen ledernen Bezug über die Randleiste einer sonderbaren Konstruktion aus weißem Eichenholz, eine Art Zelle, in der er stand. Diese Kabine war mit einem ganzen System von dicken schweren Klapp- und Schwingtüren versehen, die im Augenblick offenstanden und bei jedem Hammerschlag leise in ihren Scharnieren knarzten.
    Der Mann nagelte, der Kleine arbeitete. Keiner von beiden blickte zu Jacquemort hinüber, der auf der Schwelle innehielt, ohne sich recht auszukennen. Schließlich raffte er sich auf.
    »Guten Tag!«, sagte er ziemlich laut.
    Der Meister hörte auf zu nageln und hob die Nase. Er war hässlich, hatte einen großen schlaffhängenden Mund und eine Knollennase, aber seine Hände waren nervig und kraftvoll und mit dichtem rötlichen Flaum behaart.
    »Was willst du?«, fragte er.
    »Ich hätte gerne Kinderbetten«, sagte Jacquemort. »Sie sind dort drüben im Haus an der Steilküste zur Welt gekommen. Es werden zwei Betten gebraucht. Ein Doppelbett und ein etwas größeres Einzelbett.«
    »Ich mach nur ein einziges«, sagte der Schreiner, »ein dreischläfriges mit zwei Plätzen der Länge nach.«
    »Und ein etwas größeres...«, sagte Jacquemort.
    »Ein größeres ... Na ja, mal sehen«, sagte der Schreiner. »Handarbeit oder Maschine?«
    Jacquemort sah zu dem kleinen Gehilfen hinüber, der vor sich hinhackte wie im Traum; ein elender Automat, an eine nicht endenwollende Arbeit gefesselt.
    »Von Hand kostet es weniger«, sagte der Schreiner. »Die Maschinen sind nämlich teuer, aber solche kleinen Drecksäcke wie den da drüben gibt's wie Sand am Meer.«
    »Die werden hier recht streng an die Kandare genommen, wie?«, bemerkte Jacquemort.
    »Von Hand oder mit der Maschine?« wiederholte der Schreiner.
    »Mit der Maschine«, sagte Jacquemort.
    »Natürlich ...«, brummte der andere, »damit ich wieder meine Apparate verschleiße ...«
    »Bis morgen«, sagte Jacquemort.
    Darauf wollte er sich bei dem Mann anbiedern und gab vor, sich für seine Arbeit zu interessieren.
    »Was haben Sie denn da gerade in Arbeit?«, wollte er wissen.
    »Das ist für die Kirche«, sagte der Mann. »Eine Kanzel.«
    Er schien gleichzeitig stolz und verlegen zu sein. Aus seinem großen Mund kam beim Reden ein veritabler Sprühregen.
    »Eine Kanzel?«, sagte Jacquemort.
    Er ging näher heran, um besser zu sehen. Es war wirklich eine Kanzel. Eine Kanzel mit Deckel. Ein sonderbares Modell, wie es Jacquemort

Weitere Kostenlose Bücher