Der Herzausreißer
säuernde Geruch von Schweiß auf. Sie fiel in einen schlechten Traum.
14
Angel hatte gerade den Wagen aus der Garage geholt und wartete auf Jacquemort. Der Psychiater verspätete sich durch die Betrachtung des wunderbaren Panoramas, des violetten Meeres, des dunstflirrenden Firmaments, der Bäume und Gartenblumen, des Hauses, das weiß und wuchtig inmitten dieser Farbenorgie dastand.
Jacquemort pflückte eine kleine gelbe Blume und stieg neben Angel ein. Es war ein altes solides Auto, mit einer Karosserie kanadischer Bauart, nicht sehr komfortabel, aber zuverlässig. Die Heckklappe war offen, gehalten durch zwei Ketten, und frische Luft zirkulierte reichlich.
»Was für ein Land«, sagte Jacquemort. »Was für Blumen! Welche Schönheit! Was für ...!«
»Ja«, sagte Angel.
Auf dem staubigen Weg beschleunigte er das Tempo. Eine Wolke von Staub wirbelte hinter dem Wagen auf und setzte sich auf dem schwammigen Grase ab, an das Jacquemort sich inzwischen gewöhnt hatte.
Eine Ziege am Straßenrand machte ein Zeichen mit ihren Hörnern, und Angel hielt an.
»Steig auf«, sagte er zu dem Tier.
Die Ziege sprang in den Wagen und setzte sich auf die Ladefläche hinter ihnen.
»Die fahren alle per Anhalter«, erklärte Angel. »Und da ich keinen Grund sehe, weshalb ich mich mit den Bauern auf Kriegsfuß stellen soll ...«
Er führte den Satz nicht zu Ende.
Ein Stück weiter luden sie ein Schwein auf. Die beiden Tiere stiegen am Dorfeingang ab und gingen ein jedes auf seinen Bauernhof zu.
»Wenn sie sich ruhig verhalten«, sagte Angel noch, »erlaubt man ihnen, spazieren zu gehen. Wenn nicht, bestraft und schlägt man sie. Und sperrt sie ein. Oder macht kurzen Prozess und isst sie auf.«
»Ach so«, sagte Jacquemort dumpf.
Angels Wagen hielt vor der Schreinerei. Die beiden Männer stiegen aus. In dem kleinen Büro stand mittlerweile eine längliche Kiste. Der Körper des Lehrlings, der am Vortage damit beschäftigt gewesen war, den Eichenbalken zu behauen, ruhte darinnen schmächtig und blass, recht und schlecht mit einem alten Sack zugedeckt.
»Ist jemand da?«, rief Angel, indem er auf den Tisch schlug.
Der Schreiner erschien. Aus der Werkstatt hörte man Axthiebe wie am Tag zuvor. Zweifellos ein neuer Lehrling. Der Mann wischte sich die Nase am Jackenärmel ab.
»Kommst du deine Betten holen?«, fragte er Angel.
»Jawohl«, sagte Angel.
»Gut, nimm sie nur«, sagte der Mann, »dort drüben sind sie.« Er zeigte zur Werkstatt.
»Komm, hilf mir«, sagte Angel.
Sie verschwanden alle beide. Jacquemort erlegte eine dicke Fleischfliege, die im Kreise um den bleichen Kopf des toten Kindes surrte.
Der Schreiner und Angel luden die Betten auf den Wägen. Sie waren in ihre Einzelteile zerlegt.
»Nimmst du mir das da mit«, sagte der Schreiner, indem er auf die Kiste deutete, in der der Lehrling lag.
»In Ordnung«, sagte Angel. »Lade sie nur auf.«
Der Schreiner hob die Kiste und legte sie in den Wagen. Sie fuhren los und kamen bald darauf am roten Bach entlang. Angel hielt an, stieg aus und nahm die Kiste. Sie war leicht und nicht sehr groß. Mühelos hob er sie hoch und trug sie bis zum Bach. Dann kippte er sie ins Wasser. Das Holz ging sogleich unter. Der Körper des Kindes hingegen schwamm, bewegungslos, von der langsamen Strömung des Baches hinweggetragen, wie auf einem starren Wachstuch.
Die Bretter im Wagen schlugen während der Fahrt auf der holprigen Strecke gegeneinander.
15
31. August
Jacquemorts Zimmer lag im ersten Stock, ganz am Ende des fliesenbelegten Flurs, zum Meer hinaus. Im unteren Fensterrahmen zeichneten sich die steifen Fächer einer Dracoenia durch das Glas. Über ihre grünen Blattklingen hinweg sah man das Meer. Das viereckige Zimmer, das nicht sehr hoch und vollständig mit gebeizten Fugenbrettern aus Kiefernholz verschalt war, roch nach Harz. An der Decke ließen lange, ebenfalls gebeizte Kiefernbalken das Gerüst des Daches sichtbar werden, das, ein wenig schräg, in den Ecken von grobbehauenen Strebebalken abgestützt war. Das Mobiliar bestand aus einem niedrigen Bett aus Zitronenbaumholz, einem ziemlich wuchtigen Schreibtisch mit rotem Saffianlederbelag, einem dazu passenden Fauteuil und einem kombinierten Schrank, dessen Spiegel das Fenster reflektierte. Der Fußboden war ganz mit Fliesen ausgelegt, wie das übrige Haus, hier aber mit kleinen rhombischen Platten aus porösem hellgelben Material, halb verdeckt von einem dicken Teppich aus schwarzer Wolle. An den Wänden
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