Der Herzausreißer
nicht einmal die unvermeidliche, rotbezogene und sich busig bauschende Daunendecke, die man sonst auf allen Betten des Landes antrifft.
Er spähte alle Winkel des Zimmers aus und sah als erstes den Schmied mit nacktem Oberkörper und von hinten. Er schien in einem heiklen Vorhaben begriffen. Seine Hände waren nicht zu sehen. Doch da hoben sie sich und vollführten eine Bewegung, als wollten sie mit etwas auf jemanden draufklopfen. Dann kamen sie an seinen Gürtel zurück und machten sich an der Schnalle zu schaffen. Diese gab nach; seine Hose fiel und ließ dabei seine wuchtigen, durchnervten und wie Palmstämme behaarten Beine zutage treten. Er trug eine angeschmutzte baumwollene Unterhose, die ihrerseits fiel. Jacquemort hörte ein Gemurmel. Er konnte aber nicht gleichzeitig spähen und lauschen.
Der Schmied befreite seine nackten Füße aus Unterhose und Beinkleid, wandte sich um und kam mit schlenkernden Armen zum Bett heran. Dort setzte er sich. Wiederum war Jacquemort unwillkürlich zurückgewichen, als er ihn näherkommen sah. Aber er hielt es vor Neugierde nicht aus und legte sich unverzüglich wieder mit dem Auge an die Öffnung. Nicht einmal, als er Nëzrouge zu sich herankommen hörte, rührte er sich und sagte sich, er würde ihr schon einen ordentlichen Tritt verpassen, wenn sie ihn in Unannehmlichkeiten brächte. Und dann sagte er sich gar nichts mehr, denn da blieb ihm das Herz stehen. Vor sich erblickte er jetzt das, was ihm der Rücken des Schmiedes bisher verborgen hatte. In einem Kleid aus weißem Pikee stand da ein wunderschöner, menschenähnlicher Roboter aus Bronze und Stahl, dem Bilde Clémentines täuschend nachgeformt, und bewegte sich jetzt in unirdischem Gang auf das Bett zu. Der Schein einer für Jacquemort nicht sichtbaren Lampe zauberte Reflexe auf ihre feinen Gesichtszüge, und das schimmernde, auf Atlaspolitur gebrachte Metall ihrer Hände funkelte wie sündhaft teures Geschmeide.
Der Automat blieb stehen. Jacquemort sah, wie der Schmied vor Ungeduld schwer atmete. Mit einer geschickten Bewegung griffen die metallenen Hände in den Halsausschnitt des Kleides und zerrissen es mühelos. Der weiße Stoff fiel in Fetzen zu Boden. Jacquemort starrte hingerissen auf die straffhäutigen Brüste, die biegsamen Hüften und die wahren Wunderwerke von Knie- und Schultergelenken. Behutsam legte sich die mechanische Puppe auf das Bett. Jacquemort prallte zurück. Er tastete um sich, stieß dann gewaltsam das Dienstmädchen zur Seite, das soeben bemüht war, ihn wieder auf Vordermann zu bringen, und suchte fieberhaft nach seinen Hosen. Er hatte seine Armbanduhr in der Hosentasche gelassen. Beim ungewissen Licht der Dachluke sah er nach: dreiviertelfünf.
Seit dem Tag, da er sie im Esszimmer überrascht hatte, zog sich Clémentine täglich um halb fünf in ihr Zimmer zurück, um — wie sie sagte — ein Schläfchen zu machen. Im selben Augenblick, da die stählernen Hüften der Puppe den Schmied in Ekstase versetzten, krampfte Clémentine im Haus am Steilhang auf ihren Laken die schlanken Finger zusammen und keuchte ebenfalls vor Lust.
Jacquemort wurde von Mal zu Mal erregter, wenn er sich dem Loch in der Wand näherte. Ohne Scheu blickte er hindurch. Gleichzeitig suchte seine Hand nach dem Körper Nëzrouges, die darüber zwar selig war, aber nichts begriff. »Wirklich, ich muß schon sagen, diese Bauern sind ganz eigenwillig zivilisierte Burschen«, sagte sich Jacquemort, während er dem Schmied zuschaute.
17
39. Junili
Die Füße im Wasser, die Hosenbeine hochgekrempelt und die Schuhe in der Hand stand Jacquemort da und starrte blöde das Boot an. Er wartete auf Angel, das Boot wartete auch. Angel kam gerade wieder den Steilhang herunter, mit Wolldecken und einem letzten Wasserkanister ausgerüstet. Er hatte sich einen Seemannsanzug aus gelbem Ölzeug angezogen. Eilig überquerte er die kleine Kiesbucht und ging auf Jacquemort zu. Dieser fühlte sich sehr beklommen.
»Stehen Sie bloß nicht so mit Ihren Schuhen in der Hand in der Landschaft herum«, sagte Angel. »Sie sehen ja aus wie ein Ochse im Frack.«
»Mir ist wurscht, wie ich aussehe«, antwortete der Psychiater.
»Und lassen Sie Ihren Bart in Ruhe!«
Jacquemort ging wieder aufs Trockene zurück und stellte seine Pantinen auf einen großen Felsbrocken. Als er den Kopf hob, sah er den Gleitschienenstrang oberhalb der Felskante der Steilküste verschwinden.
»Ich werd ganz trübsinnig, wenn ich das Zeug hier sehe«, sagte
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