Der Herzausreißer
Gischtkrause auf dem ruhig flachen Wasserspiegel dahinliefe. Angel hob in der Ferne einen Puppenarm. Jacquemort erwiderte das Zeichen. Es war sechs Uhr abends. Das Feuer prasselte nun schon wild, und der Psychiater musste sich den Schweiß vom Gesicht wischen und das Feld räumen. Ein willkommener Vorwand. Eine dichte Rauchsäule stieg, von Orange durchzuckt, in majestätischen Schwüngen auf. Sie ließ die Steilküste in mächtigen Spiralwindungen unter sich und fuhr dann nahezu senkrecht in den Himmel.
Jacquemort lief ein Schauer über den Rücken. Er ertappte sich dabei, dass er schon seit einigen Minuten miaute. Ein bedauerndes, mit Schmerz vermischtes Miauen, wie das eines Katers, der gerade kastriert worden ist. Er schloss den Mund wieder und zog sich unbeholfen die Schuhe an. Bevor er sich an den Aufstieg machte, warf er noch einen Blick aufs Meer hinaus. Die noch lebendigen Strahlen der Sonne ließen in weiter Ferne ein schmales Etwas aufblitzen, das wie ein Wasserfloh über den Meeresspiegel lief. Oder wie eine Wasserwanze. Oder eine Spinne. Oder einfach wie etwas, das ganz allein auf dem Wasser dahinkrabbelte, mit Angel ganz allein an Bord.
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39. Junigust
Sie saß an ihrem Fenster und betrachtete sich im Leeren. Vor ihr über den Steilhang hingestreckt lag der Garten und ließ sich von der Sonne seinen Graspelz lecken, eine letzte Liebkosung vor Sonnenuntergang. Clémentine fühlte sich sehr abgespannt und verlegte sich ganz auf die Überwachung ihres Innenlebens.
In sich selbst verloren, schrak sie hoch, als es vom fernen Kirchturm Viertel nach fünf schlug.
Eiligen Schrittes verließ sie das Zimmer. Im Garten waren sie nicht. Auf einen Verdacht hin stieg sie die Treppe hinunter und begab sich entschlossen in die Küche. Von der Waschküche her drangen die Echos von Culblancs großer Wäsche herüber, sowie sie die Tür öffnete.
Die Kinder hatten sich einen Stuhl vor das Buffet geschoben. Noël hielt ihn mit beiden Händen. Auf dem Stuhl stand Citroën und reichte Joël ein Stück Brot nach dem anderen aus dem Korb herunter; der Marmeladentopf stand noch auf der Sitzfläche des Stuhles zwischen Citroëns Beinen. Die verschmierten Wangen der Zwillinge verrieten den schon stattgehabten Genuss der Frucht ihrer Expedition.
Sowie sie ihre Mutter kommen hörten, fuhren sie herum, und Joël zerfloss sogleich in Tränen, knapp gefolgt von Noël. Nur Citroën ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er nahm ein letztes Stück Brot und biss hinein, während er sich umdrehte und neben dem Marmeladentopf Platz nahm. Er kaute bedächtig und ohne Hast.
Beim Gedanken daran, dass sie gerade wieder einmal die Vesperzeit nicht eingehalten hatte, wurde Clémentine von Gewissensbissen gepeinigt, die noch heftiger waren als das Missvergnügen, das sie empfand, wenn sie bisweilen zu spät nach Hause kam. Citroëns Gebaren, diese frech-herausfordernde Miene, setzte das i-Tüpfelchen auf das seiner Brüder; wenn er ihr auch die Stirn bot, so hatte er doch auch das Gefühl, etwas Verbotenes getan zu haben; er hatte offensichtlich den Eindruck, seine Mutter wolle sie alle drei absichtlich schikanieren, ihm sein Vesperbrot nicht gönnen; und diese Vorstellung schmerzte Clémentine so sehr, dass sie beinahe in Tränen ausgebrochen wäre. Um aber ihre Küche nicht in ein Jammertal ausarten zu lassen, brachte sie es fertig, ihre überreizten Tränendrüsen zu drosseln.
Sie ging auf die Kinder zu und nahm Citroën in die Arme. Er sträubte sich bockig. Sanft küsste sie ihn auf seine sonnenbraune Wange.
»Mein armer Schnurzel«, sagte sie zärtlich. »Diese böse Mami hat das Vesperbrot vergessen. Kommt mit, dafür gibt’s jetzt eine große Tasse Schokolade.«
Sie setzte ihn wieder auf den Boden. Der Tränenfluss der Zwillinge versiegte schlagartig, und freudekreischend stürzten sie ihr entgegen. Sie rieben ihre schmutzigen Gesichter an ihren schwarz bestrumpften Beinen, während sie an den Herd trat, um eine Kasserolle vom Haken zu nehmen und mit Milch zu füllen. Sprachlos sah Citroën sie mit seinem Stück Brot in der Hand an. Seine gerunzelte Stirn glättete sich. Seine Augen glitzerten vor Tränen, aber er blieb noch unschlüssig. Sie lächelte ihm scheinheilig zu. Da lächelte er scheu zurück, wie ein blaues Eichhörnchen.
»Du wirst schon sehen, wie du mich jetzt liebhaben wirst«, murmelte sie fast zu sich selber. »Du wirst mir nichts mehr vorzuwerfen haben.«
»Es ist soweit, sie können sich allein ernähren,
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