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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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Hieb umgehauen?«
    »Mein Bruder hat das gemacht«, sagte Jean. »Einen richtigen Baum.«
    Er wurde sichtlich lebendiger.
    »Wohnst du im Dorf?«, fragte Citroën.
    »Ja«, sagte Jean.
    »Wir haben einen Garten«, sagte Citroën. »Das macht ungeheuer viel Spaß. Gibt es im Dorf noch andere Jungen, die so stark sind wie du?«
    Jean zögerte einen Augenblick, aber die Ehrlichkeit obsiegte.
    »Oh ja«, sagte er, »haufenweise!«
    »Aber du«, sagte Noël, »du bist doch schon mindestens neun?«
    »Zehn«, berichtigte Jean.
    »Glaubst du, ich könnte auch Bäume umhauen, wenn ich zehn wäre?«, fragte Citroën.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Jean. »Das ist sehr schwer, wenn man nicht weiß, wie!«
    »Würdest du mir das einmal leihen?«, sagte Citroën.
    »Was?«, sagte Jean. »Meine Baumhacke?«
    »Ja, deine Baumhacke«, sagte Citroën mit sichtlichem Genuss am Wort.
    »Versuch’s mal«, sagte Jean großzügig. »Aber sie ist schwer, damit du’s weißt.«
    Citroën erhob sich respektvoll. Jean benutzte die Gelegenheit, um sich ausgiebig in die Hände zu spucken. Was Citroën sah, und ihm die Baumhacke darauf mit einer gewissen Verlegenheit zurückgab.
    »Warum spuckst du dir in die Hände?«, fragte Noël.
    »Alle Männer machen das«, sagte Jean. »Davon werden die Hände härter.«
    »Glaubst du, dass meine Hände davon auch härter werden?«, fragte Citroën. »Vielleicht werden sie sogar so hart wie Holz ...!«
    »Weiß ich nicht«, sagte Jean.
    Er machte sich wieder an seine Arbeit.
    »Hast du schon einmal in deinem Garten nach Schnecken gegraben?«, fragte Citroën.
    Jean schniefte den Rotz hoch, während er sich die Frage durch den Kopf gehen ließ, und spuckte dann eine beträchtliche Menge der grünen Masse über eine wahrhaft verblüffende Entfernung.
    »Oh!«, sagte Noël. »Hast du das gesehen?«
    »Ja«, sagte Citroën.
    Interessiert hockten sie sich auf den Boden.
    »Mein Bruder hat schon einmal einen Totenknochen gefunden«, sagte Jean. »Beim Graben.«
    Sie hörten zu, jedoch ohne rechte Leidenschaft. Jacquemort stand daneben und betrachtete das sonderbare Quartett. Er war ein wenig verwirrt.

19
    27. Oktember
    Er schrak aus dem Schlaf hoch. Es wurde an seine Tür geklopft. Noch ehe er Zeit gehabt hätte zu antworten, trat Clémentine ein.
    »Guten Morgen«, sagte sie geistesabwesend.
    Sie schien gänzlich verstört.
    »Was ist los?«, fragte Jacquemort beunruhigt.
    »Nichts!«, sagte Clémentine. »Es ist zu dumm, ich habe einen Alptraum gehabt.«
    »Schon wieder ein Unglück?«
    »Nein. Sie gingen aus dem Garten hinaus. Das verfolgt mich richtig.«
    »Legen Sie sich wieder hin«, sagte Jacquemort, indem er sich im Bett aufsetzte. »Ich werde mich darum kümmern.«
    »Worum?«
    »Regen Sie sich nicht auf.«
    Sie schien ein wenig beruhigt.
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie etwas für ihre Sicherheit tun können?«
    »Ja«, sagte Jacquemort.
    Immer der gleiche nebulöse Gedanke. Aber diesmal würde sie ihm eine konkrete Maßnahme abverlangen.
    »Gehen Sie wieder zu Bett«, wiederholte er. »Ich ziehe mich gleich an. Ich komme bei Ihnen vorbei, sobald ich die Angelegenheit in Ordnung gebracht habe. Die Kleinen werden wohl schon auf sein, denke ich?«
    »Sie sind im Garten«, sagte Clémentine.
    Sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.

20
    »Nicht so«, sagte Citroën. »So.«
    Er legte sich bäuchlings ins Gras und hob durch eine nicht wahrnehmbare Bewegung der Hände und Füße dreißig Zentimeter vom Boden ab. Dann plötzlich schoss er vorwärts und vollführte zehn Zentimeter weiter einen meisterhaften Looping.
    »Nicht zu hoch«, warnte Noël. »Flieg nicht höher als der Busch. Sonst sieht man uns.«
    Joël unternahm seinerseits einen Versuch, hielt aber auf dem Scheitelpunkt der Schleife an und glitt wieder in die Ausgangsposition zurück.
    »Da kommt jemand!«, flüsterte er, sowie er auf dem Boden angelangt war.
    »Wer ist es?«, fragte Citroën.
    »Es ist Onkel Jacquemort.«
    »Spielen wir Kieselsteine«, ordnete sein Bruder an.
    Alle drei setzten sich nieder, den Spaten in der Hand. Wie vorhergesehen, erschien Jacquemort wenige Minuten später.
    »Guten Tag, Onkel Jacquemort«, sagte Citroën.
    »Guten Tag, Onkel«, sagte Joël.
    »Guten Tag«, sagte Noël. »Setz dich zu uns.«
    »Ich komme, ein bisschen mit euch zu plaudern«, sagte Jacquemort und setzte sich zu ihnen.
    »Was sollen wir dir denn erzählen?«, sagte Citroën.
    »Mein Gott«, sagte Jacquemort, »dies und jenes.

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