Der Herzausreißer
weiche Blattsäge hinter sich herschleifend.
Jacquemort seufzte tief und ging ins Haus zurück. Er stieg die Treppe hoch. Im ersten Stock lenkte er seine Schritte sogleich zum Kinderzimmer. Clémentine saß dort und strickte, während sie den Kindern Gesellschaft leistete. Im hinteren Teil des Zimmers besahen sich Noël und Citroën Bilderbücher und lutschten dabei Bonbons. Die Tüte mit den Bonbons lag in ihrer Mitte.
Jacquemort trat ein.
»Es ist vorbei«, sagte er. »Sie sind umgehauen.«
»Ah! Umso besser«, sagte Clémentine. »Jetzt werde ich um so vieles ruhiger sein.«
»Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?«, fragte Jacquemort. »Haben Sie den Lärm denn nicht gehört?«
»Ich habe kaum darauf geachtet. Ich nehme an, es ist normal, dass Bäume beim Umfallen Lärm machen.«
»Selbstverständlich ...«, sagte Jacquemort.
Er sah die Kinder an.
»Wollen Sie sie immer noch im Haus behalten? Nun sind es schon drei Tage, dass sie nicht hinausgekommen sind. Jetzt laufen sie keine Gefahr mehr, wissen Sie!«
»Haben die Männer aufgehört zu arbeiten?«, fragte Clémentine.
»Es ist nur noch das Holz kleinzumachen«, sagte Jacquemort. »Aber wenn Sie Angst um die Kleinen haben, werde ich auf sie aufpassen. Ich glaube, man sollte sie ein wenig frische Luft schnappen lassen.«
»Oh ja!«, sagte Citroën. »Wir gehen mit dir spazieren!«
»Auf geht’s!« sägte Noël.
»Seien Sie aber vorsichtig!«, empfahl Clémentine. »Verlieren Sie sie auch nicht eine Sekunde lang aus den Augen. Ich würde vor Unruhe sterben, wenn ich denken müsste, dass Sie nicht auf sie aufpassen.«
Jacquemort verließ das Zimmer; die Kinder sprangen vor ihm her. Alle vier liefen sie die Treppe hinunter.
»Vorsicht, dass sie nicht in die Löcher fallen«, rief ihnen Clémentine noch nach. »Und dass sie nicht mit dem Werkzeug spielen.«
»Ja, ja!«, sagte Jacquemort auf halber Höhe.
Sowie sie draußen waren, galoppierten Noël und Joël zur Stelle, von wo das Geräusch der Baumhacke herkam. Jacquemort folgte ihnen ohne Eile, in Begleitung von Citroën.
Der jüngere der Lehrlinge, der ungefähr zehn Jahre alt war, hieb gerade einer Kiefer die Äste ab. Der Stahl der Baumhacke hob sich und sauste nieder, feine Späne schwirrten mit jedem Hieb auf, und Harz erfüllte die Luft mit seinem nüsternkräuselnden Duft. Joël suchte sich einen bequemen Beobachtungsposten und blieb fasziniert stehen. Noël stand neben ihm, etwas im Hintergrund.
»Wie heißt du?«, fragte Noël nach einem Augenblick.
Der Lehrling hob sein armseliges Gesicht.
»Weiß nicht«, sagte er, »Jean vielleicht.«
»Jean!« wiederholte Noël.
»Ich heiße Joël«, sagte Joël, »und mein Bruder heißt Noël.«
Jean gab keine Antwort. Die Baumhacke sauste mit trister Gleichförmigkeit nieder.
»Was machst du da, Jean?«, fragte Citroën, der gerade dazugekommen war.
»Das da«, sagte Jean.
Noël hob einen Span auf und roch daran.
»Das muß sicher Spaß machen«, sagte er. »Machst du das immer?«
»Nein«, sagte Jean.
»Schau mal«, sagte Citroën. »Kannst du auch so weit spucken?«
Jean sah leidenschaftslos zu. Eineinhalb Meter. Er versuchte es seinerseits und schaffte mehr als das Doppelte.
»Oh!«, sagte Noël.
Citroën war voll ehrlicher Bewunderung.
»Du spuckst ja verflixt weit«, sagte er voll Achtung.
»Mein Bruder spuckt viermal so weit«, sagte Jean, der Wertschätzung von Haus aus nicht gewohnt war und sich daher bemühte, das peinliche Lob auf einen Würdigeren abzuwälzen.
»Nun ja«, sagte Citroën, »dann muß der wirklich auch ganz schön weit spucken!«
Der Ast hing nur mehr an ein paar Fasern. Beim darauffolgenden Hieb wurde er abgetrennt, er sprang durch die Elastizität der Zweige sogleich wieder hoch und fiel dann zur Seite. Jean schob ihn mit der Hand weg.
»Vorsicht!«, sagte Jean.
»Du bist aber stark!«, sagte Noël.
»Ach«, sagte Jean, »das ist doch gar nichts. Mein Bruder ist noch viel stärker als ich.«
Trotzdem nahm er den nächsten Ast mit einigem Schwung in Angriff und ließ große Späne auffliegen.
»Sieh dir das an«, sagte Citroën zu Joël.
»Er könnte ihn beinahe mit einem einzigen Hieb abhacken«, sagte Noël.
»Ja«, sagte Citroën.
»Beinahe«, präzisierte Noël. »Immerhin doch nicht ganz mit einem Hieb.«
»Ich könnte ihn mit einem einzigen Hieb abhauen, wenn ich wollte«, sagte Jean.
»Das glaub ich gern«, sagte Citroën. »Hast du schon jemals einen Baum mit einem einzigen
Weitere Kostenlose Bücher