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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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sagte Citroën.
    »Ich glaubte nicht, dass sie schon fertig seien«, sagte Joël. »Man hatte sie ja noch hämmern und reden hören. Ich dachte, wir würden sie arbeiten sehen. Ich finde das alles überhaupt nicht lustig. Ich geh jetzt zu Mama.«
    »Kann es sein, dass sie mit der Mauer noch nicht ganz fertig sind?«, sagte Noël.
    »Sehen wir einmal nach«, sagte Citroën.
    Noël und Citroën ließen ihren Bruder stehen und schlugen den Pfad ein, der an der Mauer entlangführte, als es die Mauer noch gab, und der jetzt den Rundweg um ihr neues geschlossenes Universum darstellte. Sie flogen sehr schnell, knapp über dem Erdboden und unter den niederen Zweigen hindurch.
    Als sie auf die Seite der Steilküste kamen, blieb Citroën abrupt stehen. Vor ihnen stand ein langes Stück der ehemaligen Einfriedungsmauer, mit ihren Steinen und Kletterpflanzen, die die obere Mauerpartie mit einer von Insekten summenden Grünbekränzung überzogen.
    »Die Mauer!«, sagte Citroën.
    »Oh!«, sagte Noël. »Schau mal! Man sieht den oberen Teil nicht mehr.«
    Langsam verschwand die Oberfläche, als würde sie durch einen Trick weggezaubert.
    »Sie tragen sie nach vorne zu ab«, sagte Citroën. »Sie sind gerade dabei, das letzte Stück nach vorne zu abzutragen. Bald werden wir überhaupt nichts mehr davon sehen.«
    »Wir gehen eben auf die andere Seite«, sagte Noël, »wenn wir wollen.«
    »Oh!«, sagte Citroën, »wir brauchen sie ja gar nicht zu sehen. Auf jeden Fall werden wir uns jetzt besser mit den Vögeln vergnügen können.«
    Noël schwieg. Er war einverstanden, und weiterer Kommentar war überflüssig. Der Fuß der Mauer wich nun seinerseits auch dem Unsichtbaren. Sie vernahmen die Kommandos des Vorarbeiters und Hammerschläge, und daraufhin breitete sich wattige Stille aus.
    Eilige Schritte hallten über das Arbeitsgelände. Citroën drehte sich um. Clémentine, gefolgt von Joël, kam daher.
    »Citroën, Noël, kommt, meine Kleinen. Mami hat euch einen guten Kuchen zur Vesper gebacken. Na kommt schon! Wer mir zuerst ein Küsschen gibt, kriegt das größte Stück.«
    Citroën blieb auf dem Pfad stehen. Noël blinzelte ihm zu und warf sich dann mit gespielter Erschrockenheit in Clémentines Arme. Sie drückte ihn an sich.
    »Was ist denn los mit meinem Baby? Es sieht ja ganz traurig aus. Was fehlt ihm denn?«
    »Ich hab Angst«, murmelte Noël. »Die Mauer ist weg.«
    Citroën musste sich das Lachen verkneifen. Was für ein Komödiant, sein Bruder!
    Joël, ein Bonbon im Mund, sprach beruhigend auf Noël ein.
    »Das macht doch nichts«, sagte er, »ich hab keine Angst. Diese Mauer ist ja viel schöner als die andere, damit wir uns im Garten noch wohler fühlen.«
    »Mein Liebling!«, sagte Clémentine und umarmte Noël leidenschaftlich. »Glaubst du denn im Ernst, dass Mami dir Angst einjagen möchte? Nun kommt! Esst jetzt brav euer Vesperbrot.«
    Sie lächelte Citroën zu. Er sah, dass ihr Mund zitterte und schüttelte verneinend den Kopf. Als sie anfing zu weinen, sah er sie verwundert an. Dann zuckte er die Achseln und kam schließlich näher. Sie presste ihn krampfhaft an sich.
    »Du Böser!«, sagte Joël. »Jetzt hast du Mami wieder zum Weinen gebracht.«
    Er gab ihm einen Hieb mit dem Ellbogen.
    »Aber nein«, sagte Clémentine.
    Ihre Stimme war tränenfeucht.
    »Er ist nicht böse. Ihr seid alle brav, und ihr seid alle drei meine Küken. Kommt jetzt, schaut euch den schönen Kuchen an. Nun kommt schon!«
    Joël lief voraus, gefolgt von Noël. Clémentine nahm Citroën bei der Hand und zog ihn hinter sich her. Er ließ es geschehen, blickte aber etwas hart drein; er konnte diese um sein Gelenk gekrampfte Hand nicht ausstehen; sie war ihm lästig. Auch Tränen waren ihm zuwider. Eine Art Mitleid zwang ihn, in ihrer Nähe zu bleiben, aber er schämte sich dieses Mitleids, es war ihm peinlich, wie an jenem Tag, als er ohne anzuklopfen in das Zimmer des Dienstmädchens getreten war und es nackt vor einer Waschschüssel stehen sah mit einem Bauch voller Haare und einem roten Handtuch in der Hand.

24
    79. Dezärz
    »Keine Bäume mehr«, dachte Clémentine. »Keine Bäume und ein erstklassiges Gitter. Das sind zwei Sachen. Zwei unbedeutende, geringfügige Sachen, sicherlich, aber daraus ergeben sich alle möglichen Konsequenzen. Eine beträchtliche Anzahl von Unglücksfällen aller Art sind schon jetzt in den Bereich des Unmöglichen verbannt. Sie sind hübsch, sie wachsen, sie haben etwas Umgängliches an sich. Und das ist

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