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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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nicht böse, wenn Sie das sagen. Hören Sie, mein Pfarrer, geben Sie zu, dass ich eine Rechtfertigung für Sie abgebe.«
    »Geh von hinnen, Ungeziefer«, sagte der Pfarrer, »du bist schmutzig und du stinkst.«
    Der Küster hatte da schon ganz andere Sachen zu hören bekommen.
    »Und besonders ekelhaft Ihrerseits ist es«, fügte er hinzu, »dass ich immer die Rolle des Bösewichts spielen muß, dass ich mich nie beklage und dass Sie trotzdem nicht davon ablassen, mich zu beschimpfen. Wenn wir bloß ab und zu die Rollen vertauschen würden.«
    »Und wenn ich die Steine ins Gesicht kriege?«, sagte der Pfarrer. »Bist nicht du derjenige, der ihnen einflüstert, mich damit zu bewerfen?«
    »Wenn ich etwas dazutun könnte, würden Sie öfter welche abkriegen«, knurrte der andere.
    »Ach komm, ich will nicht nachtragend sein!«, schloss der Pfarrer. »Aber fang mir nicht wieder an, deine Pflichten zu vernachlässigen. GOtt braucht Blumen, GOtt braucht Weihrauch, er muß Huldigungen und kostbare Festgeschenke erhalten, Gold und Myrrhe und wunderbare Erscheinungen, und Jünglinge so schön wie Zentauren, und funkelnde Diamanten, Sonnen, Morgenröten, und du stehst da, hässlich und erbärmlich, wie ein räudiger Esel, der in einem Salon einen Furz lässt ... aber reden wir von etwas anderem, sonst machst du mich wirklich noch wütend. Ich werde dich runterschmeißen, da brauchen wir kein Wort mehr zu verlieren.«
    »Na gut, dann werde ich eben nicht fallen«, sagte der Küster äußerst trocken.
    Er spie eine Flammenzunge, die dem Pfarrer die Haare auf den Beinen versengte. Dieser fluchte.
    »Meine Herren«, sagte Jacquemort, »ich muß doch sehr bitten.«
    »Ach ja«, knüpfte der Pfarrer sehr weltgewandt wieder an, »was verschafft mir das Vergnügen Ihres Besuches?«
    »Ich bin gerade vorbeigekommen«, erklärte Jacquemort, »und da wollte ich die Gelegenheit nutzen, um guten Tag zu sagen.«
    Der Küster erhob sich.
    »Ich geh jetzt, mein Pfarrer«, sagte er. »Ich lasse Sie in Ruhe mit Herrn Soundso plaudern.«
    »Auf Wiedersehen!«, sagte Jacquemort.
    Der Pfarrer schabte sich die Beine ab, um die versengten Haare zu entfernen.
    »Wie geht es Ihnen so?«, fragte er.
    »Mir geht’s gut«, sagte Jacquemort. »Ich bin ins Dorf gekommen, um die Arbeiter zu holen. Im Haus gibt es noch allerhand Arbeiten zu verrichten.«
    »Immer noch aus demselben Grund?«, fragte der Pfarrer.
    »Immer noch«, sagte Jacquemort. »Die Vorstellung, es könnte ihnen etwas zustoßen, macht sie verrückt.«
    »Sie würde aber genauso verrückt werden bei der Vorstellung, dass ihnen nichts passieren könnte«, bemerkte der Pfarrer.
    »Sehr richtig«, sagte Jacquemort. »Das ist auch der Grund, weshalb ich von vornherein der Ansicht war, dass sie die Gefahr übertreibt. Aber ich muß zugeben, dass mir diese Schutzbesessenheit einen gewissen Respekt abringt.«
    »Welch bewundernswerte Liebe!«, sagte der Pfarrer. »Dieser Luxus der Fürsorge! Sind sich die Kinder wenigstens bewusst, was sie für sie getan hat?«
    Jacquemort antwortete nicht sogleich. Dieser Aspekt des Problems war ihm bisher entgangen. Er zögerte:
    »Also das weiß ich wirklich nicht ...«
    »Diese Frau ist eine Heilige«, sagte der Pfarrer. »Und trotzdem kommt sie nie zur Messe. Erklären Sie mir das einmal.«
    »Das ist unerklärlich«, sagte Jacquemort. »In der Tat passt das mit nichts zusammen, finden Sie sich damit ab. Da liegt auch die Erklärung.«
    »Das tu ich ja«, sagte der Pfarrer, »ich finde mich ja schon damit ab.«
    Sie schwiegen.
    »Nun ja«, sagte Jacquemort, »ich muß langsam gehen.«
    »Ja, ja«, sagte der Pfarrer, »Sie werden langsam gehen müssen.« »Dann geh ich also«, sagte Jacquemort.
    Er sagte ihm auf Wiedersehen und ging.

26
    12. Märuli
    Der Himmel kachelte sich mit gelblichen Wolken und hässlichem Aussehen. Es war kalt. In der Ferne begann das Meer in einer unangenehmen Tonart zu singen. Der Garten lag in einem stumpfen vorgewittrigen Licht. Seit der letzten Verwandlung gab es keinen Erdboden mehr; einzig ein paar vereinzelte Sträucher und Büsche, die dem Massaker entgangen waren, ragten noch aus dem Leeren. Auch der Kiesweg war noch übrig und intakt und schnitt die Unsichtbarkeit der Erde in zwei Teile.
    Verstohlen näherte eine Wolke sich der anderen; bei jedem Zusammenstoß hörte man ein dumpfes Grollen, gleichzeitig flammte ein rötlicher Schein auf. Der Himmel schien sich über der Steilküste zusammenballen zu wollen. Als er nur

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