Der Herzausreißer
mehr ein schwerer schmutziger Teppich war, sank eine lastende Stille hernieder. Und hinter dieser Stille hörte man den Wind herankommen, zurückhaltend erst, in kleinen Sprüngen über Mauersimse und Schornsteine, doch schon bald steifer und härter; jeder Mauernische entriss er ein schrilles Winseln, den Pflanzen beugte er die unruhigen Köpfe und er jagte schon die ersten Wasserklingen vor sich her. Alsogleich durchliefen Sprünge den Himmel wie schadhafte Keramik, und der Hagel setzte ein, derbe Hagelkörner, die an den Schieferplatten des Daches zu einem harten kristallinen Pulver zerstoben; nach und nach verschwand das Haus unter dem dichten Pulverdampf — wild prasselten die Hagelkörner auf die Kiesallee hinab, so dass bei jedem Aufprall ein Funke hochsprang.
Unter dem unablässigen Anprall begann das Meer zu kochen und überzulaufen wie schwärzliche Milch.
Den ersten Schreck kaum überwunden, hatte Clémentine nach ihren Kindern gesucht. Zum Glück waren sie in ihrem Zimmer; eilig versammelte sie sie im großen Wohnzimmer im Erdgeschoss um sich. Draußen war es schon ganz und gar Nacht geworden, und der dunkle Nebel, der die Fenster feucht umwaberte, nahm beim Schein der Lampen einen ungewissen phosphoreszierenden Schimmer an.
»Sie hätten bloß wieder draußen sein müssen«, dachte sie, »und schon hätte ich sie gefunden, vom Hagel in Stücke gehauen, erdrückt unter diesen schwarzen Diamanteiern, erstickt vom trockenen Staub, der ihnen den Atem raubt und sich hinterhältig in ihren Lungen absetzt. Welcher Schutz würde da ausreichen? Ein Dach? Soll man ein Dach über den Garten bauen? Das lohnt sich nicht, das Haus erfüllt den gleichen Zweck und ist auch noch solider als jedes zusätzliche Dach — aber das Haus selbst, könnte es nicht etwa einstürzen — wenn dieser Hagelschauer noch stundenlang anhält — oder gar Wochen und Monate — würde nicht der auf dem Dach sich häufende Eisstaub das Gebälk zum Einsturz bringen? Einen stählernen Raum müsste man haben, ein unzerstörbares Zimmer, einen perfekten Schutz — in einem mächtigen Panzerschrank müsste man sie aufbewahren, wie man sündteuren Schmuck aufhebt, man müsste unbeschränkt widerstandsfähige Schmuckkästchen haben, unzerstörbar und hart wie das Skelett der Zeit, genau hier muß man sie ihnen bauen lassen, morgen — noch morgen.«
Sie sah zu den drei Kindern hinüber. Unbekümmert um das Gewitter spielten sie, friedlich und gelassen.
»Jacquemort, wo ist er? Ich muß mit ihm die beste Lösung besprechen.«
Sie rief nach dem Dienstmädchen.
»Wo ist Jacquemort?«
»In seinem Zimmer, glaube ich«, antwortete Culblanc.
»Sind Sie so freundlich und holen Sie ihn?«
Das laute Tosen des schäumenden Meeres legte sich einschläfernd aufs Gehör. Der Hagel ließ nicht nach.
Jacquemort erschien wenige Augenblicke, nachdem das Dienstmädchen hinausgegangen war.
»Da sind Sie ja«, sagte Clémentine. »Ich glaube, ich habe die endgültige Lösung gefunden.«
Sie legte ihm das Ergebnis ihrer Überlegungen dar.
»Auf diese Weise«, sagte sie, »riskieren sie überhaupt nichts mehr. Aber dazu werde ich Sie wohl noch einmal um Ihre Hilfe bitten müssen.«
»Ich gehe morgen ins Dorf«, sagte er. »Ich werde es dem Schmied im Vorbeigehen ausrichten.«
»Ich kann es kaum erwarten, dass es erledigt ist«, sagte sie. »Ich werde mich dann viel weniger um sie sorgen. Ich habe es immer gefühlt, dass ich eines Tages das geeignete Mittel finden würde, sie ganz vor allem Übel zu beschützen.«
»Möglich, dass Sie recht haben«, sagte Jacquemort. »Ich weiß es nicht. Das wird Ihnen Aufopferung zu jeder Sekunde abfordern.«
»Sich für jemanden aufopfern, von dem man sicher weiß, dass er einem erhalten bleibt, ist für mich eine Kleinigkeit«, erwiderte sie.
»Sie werden aber nicht viel Bewegung haben«, sagte Jacquemort.
»Ich bin mir nicht so sicher, ob das gar so gesund ist«, gab Clémentine zu bedenken. »Es sind ja äußerst zart gebaute Kinder.«
Sie seufzte.
»Ich habe das Gefühl, ganz nahe am Ziel zu sein«, sagte sie. »Das ist außergewöhnlich. Das steigt mir fast ein bisschen zu Kopf.«
»Sie könnten sich dann auch etwas ausruhen«, bemerkte er, »in gewissen Maßen, versteht sich.«
»Ich weiß nicht. Ich habe sie dermaßen lieb, dass ich dabei nicht mehr an Ruhe für mich glaube.«
»Wenn Sie die Geduld haben, diesen Zwang auf sich zu nehmen ...«
»Das ist weiter nichts mehr«, schloss sie, »nach allem,
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