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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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Hände an den Mund, ohne sie auseinanderzunehmen, und sprach mit leiser Stimme ein paar Worte. Dann legte er das, was er in Händen gehalten hatte, auf die Bettdecke. Eine kleine weiße Heuschrecke.
    Sogleich kamen die Bären herbeigelaufen und nahmen rund um sie Platz.
    »Rückt ein bisschen«, sagte Joël, »man sieht ja nichts.«
    Die Bären setzten sich so, dass sie dem Fußende des Bettes den Rücken zuwandten. Und dann machte die Heuschrecke einen artigen Knicks und begann, akrobatische Kunststücke vorzuführen. Die Kinder bewunderten sie rückhaltlos.
    Doch schon sehr bald machte sie schlapp; sie warf ihnen ein Kusshändchen zu, sprang sehr hoch und kam nicht wieder herunter.
    Es war übrigens niemand sonderlich bekümmert darüber. Citroën hob den Finger.
    »Ich weiß was anderes!«, sagte er gewichtig. »Wenn wir einmal Pelzflöhe finden, müssen wir uns dreimal beißen lassen.«
    »Und dann?«, fragte Noël.
    »Dann«, sagte Citroën, »kann man sich so klein machen, wie man will.«
    »Und unter den Türen durchschlüpfen?«
    »Unter den Türen, selbstverständlich«, sagte Citroën. »Wir können so klein werden wie die Flöhe.«
    Die Bären kamen interessiert näher.
    »Und wenn man die Worte verkehrt herum aufsagt, kann man dann größer werden?«, fragten sie wie aus einem Munde.
    »Nein«, sagte Citroën. »Außerdem seid ihr so gerade richtig. Aber wenn ihr wollt, kann ich euch Affenschwänze wachsen lassen.«
    »Nur zu!«, sagte der Bär von Joël. »Schönen Dank auch.«
    Der von Noël zog sich zurück. Der dritte überlegte.
    »Ich lasse mir die Sache noch durch den Kopf gehen«, versprach er.
    Noël gähnte.
    »Ich bin müde. Ich geh wieder ins Bett«, sagte er.
    »Ich auch«, sagte Joël.
    Wenige Minuten später waren sie eingeschlafen. Nur Citroën war noch wachgeblieben; er blinzelte mit einem Auge und betrachtete dabei seine Hände. Wenn er auf eine ganz bestimmte Art blinzelte, wuchsen ihm zwei Finger mehr. Morgen würde er das seinen Brüdern beibringen.

30
    16. Märuli
    Der Schmiedelehrling war elf Jahre alt. Er hieß André. Den Hals und eine Schulter in der ledernen Zugschlaufe, zog er aus Leibeskräften. Der Hund neben ihm zog auch mit. Hinter ihm gingen gemächlich der Schmied und sein Geselle, schoben auch ein bisschen, wenn es gar zu steil bergauf ging, nicht ohne eine geballte Ladung Flüche und Beleidigungen an Andrés Adresse.
    André tat die Schulter weh, aber er zitterte vor Aufregung beim Gedanken, den Garten des großen Hauses am Steilhang betreten zu dürfen. Er zog, was er konnte. Schon tauchten die letzten Häuser des Dorfes vor ihm auf.
    Auf dem roten Bach glitt das alte Boot von La Gloïre dahin. André sah hinüber. Das war aber nicht mehr der Alte selbst. Es war ein sonderbarer Heiliger, genauso zerlumpt gekleidet wie der andere, aber mit einem roten Bart. Er saß vornübergebeugt und betrachtete das glatte, undurchsichtige Wasser, ohne sich zu bewegen, und ließ sich dabei von der Strömung treiben. Der Schmied und sein Geselle riefen ihm joviale Beschimpfungen zu.
    Der Karren war sehr schwer zu ziehen, da die Eisenrahmen ein erhebliches Gewicht hatten. Dicke Eisenrahmen, mit massiven, vierkantigen, kreuzweise ineinander verflochtenen Gitterstangen, bläulich verfärbt vom Schmiedefeuer. Das war schon die fünfte Fuhre, die letzte; bei den vier anderen zuvor hatte man den Wagen vor dem Gittertor entladen, und andere Helfer hatten das Material in den Garten gebracht. Diesmal würde auch André hineingehen dürfen, um die Botengänge zwischen Haus und Dorf zu versehen, für den Fall, dass der Schmied etwas benötigte.
    Von den ungeduldigen Füßen des Kindes getreten, zog sich das graue Band des Weges in die Länge. Mit quietschenden Rädern holperte der Wagen über Pfützen und Wasserrinnen. Das Wetter war trist und unbestimmbar, ohne Sonne und auch ohne die Gefahr eines Regenschauers.
    Der Schmied fing fröhlich zu pfeifen an. Mit beiden Händen in den Hosentaschen schritt er lässig voran.
    André zitterte zwischen seiner Karrengabel. Er wäre gern ein Pferd gewesen, um schneller laufen zu können.
    Er ging schneller. Sein Herz schlug beinah zu stark.
    Endlich kam die Wegkehre. Die hohe Mauer des Hauses. Und das Gittertor.
    Der Karren blieb stehen. André wollte ihn gerade wenden, um hineinzufahren, aber der Schmied sagte:
    »Bleib hier und warte.«
    Dabei hatte er ein boshaftes Blitzen in den Augen.
    »Wir zwei ziehen ihn jetzt«, sagte er, »du wirst gewiss müde

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