Der Herzberuehrer
ich fühlte mich von meinen Gästen ab und zu beobachtet. Ein wenig nur, doch es reichte aus, um mich an manchen Tagen einfach mal unsichtbar zu wünschen. In solchen Momenten suchte ich dann das Weite und igelte mich für ein paar Stunden in meinem 'West-Trakt' ein.
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Ich, Luca Lauro, war mittlerweile 22 Jahre alt, leidenschaftlicher Gastronom, und dass ich mich beobachtet fühlte, hatte sicher auch damit zu tun, dass ich in Italien immer noch bekannt war wie ein bunter Hund.
Die Tatsache, dass ich jetzt schon länger nicht mehr fürs Fernsehen arbeitete hatte daran nichts geändert. Nicht das geringste. Meine Kochshow war Geschichte: Ich hingegen war es nicht.
Allerdings wunderte mich das auch nicht weiter, denn die Merchandising-Produkte aus meiner Zeit als Italiens jüngstem Fernsehkoch liefen nach wie vor ausgezeichnet. Und wer sich für ein Messer, eine Pfanne oder einen anderen der vierundzwanzig Artikel aus der 'Luca-Culinaria-Serie' entschied, blickte automatisch in die wechselhafte Zweifarbigkeit meiner Augen, von den mittlerweile vier erhältlichen Kochbüchern mal ganz abgesehen.
Das war es also wohl vor allem, was mir das Gefühl vermittelte, allzeit der Beobachtung unserer Gäste ausgesetzt zu sein.
Ich hätte Italien schon verlassen müssen, um dem zu entgehen.
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Kam es dann dazu, dass ich mich zurückzog, verbrachte ich die meiste Zeit davon alleine.
So fühlte ich mich richtig wohl, konnte entspannen und Energie tanken, bevor ich mich wieder unter Leute begab.
Im Grunde war es tatsächlich fast so wie ganz früher, in meiner Kindheit, in der ich es über die Maßen geliebt hatte, alleine spielen zu dürfen. Bei vier Geschwistern vielleicht nicht einmal ungewöhnlich.
Ab und zu übernachtete Fabio bei mir, doch im Großen und Ganzen...
Ich war nun mal ein Einzelgänger. Daran hatte sich nichts geändert. Auch nach all den Jahren nicht. Und im Grunde genügte ich mir allein vollauf.
Wieso wird so einer dann Koch und Hotelier?
In der Küche zu sechst, dann zwei im Service, einer im Empfang und dazu die Gäste...
Immerhin, ich hatte es mir genauso ausgesucht. Und beim Kochen stellte sich die Frage auch nicht. Es war exakt das, was ich wollte. Was allerdings das Hoteliers-Dasein anging - da hatte es sich einfach so ergeben, denn ausschließlich durch den Restaurantbetrieb hätte ich die Anlage auf Dauer nicht halten können.
Zuallererst musste natürlich der Name weichen - zu lang, zu heilig. Ich wollte ja nicht, dass meine Gäste zu mir, dem Atheisten, 'hinaufpilgerten'. Gott bewahre, keinesfalls. Also nannte ich es 'Luro'. Nach mir selbst eben, einer Kombination von Luca und Lauro. Schritt eins! Und schließlich, nachdem das vollbracht war, fehlte mir eigentlich nur noch dies - ein guter Koch. Das war Schritt zwei. Ein
Maître
musste her. Jemand, der bereit war, das mit mir fortzusetzen, was ich in Fano einst voller Erwartungen begonnen hatte...
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»Dir ist schon klar, dass das Ganze ziemlich schräg ist?« Sie sagte es mit jenem gewissen Lächeln, das ihren Worten trotzdem einen todernsten Anstrich verpasste.
»Ja, sicher. Doch was soll ich denn machen? Die Situation ist nun mal wie sie ist.«
»Wenn man es genau nimmt, bezahlst du mich dafür, dass ich dein Boss bin. Wie soll das gehen?«
Ich schüttelte verneinend den Kopf. »Wenn man es wirklich ganz genau nimmt, dann zahle ich dafür, dass ich meine Ausbildung bei dir abschließen kann.«
»Und du meinst, das funktioniert?«
»Einen Versuch ist es doch wert, oder?«
Ich kannte Geraldina Chilamenti, 'Chip' genannt, bislang nur durch einen gedehnten E-Mail Kontakt über eine Internet-Plattform, auf der sie ein Stellenprofil für eine Maître-Position in der Gastronomie hinterlassen hatte.
Sie suchte einen Job - ich einen Lehrmeister.
Chip war vier Jahre älter als ich, kam aus dem Tessin, hatte schon in einigen nennenswerten Restaurants der Italienischen Schweiz gekocht und suchte nach eigener Aussage eine Herausforderung.
Diese Herausforderung sollte nun, nach meiner ureigenen Vorstellung - ich - Luca Lauro sein, ihr Lehrling auf Zeit.
Chip beherrschte ihrer Vita nach, das breitgefächerte Küchen-ABC aus dem 'Effeff', schätzte den kreativen Moment und garantierte Teamgeist in jeder Lebenslage.
Was mich jedoch nachdrücklich überzeugt hatte, war das, was auf dem eingescannten Foto von ihr zu sehen war. Sicherlich, Äußerlichkeiten, aber was waren die vollmundig gepriesenen Verheißungen mehr als das?
Chip trug
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