Der Herzog und seine geliebte Feindin
noch lange weiter, nachdem das Feuer erloschen war. Manchmal kochte all das in ihr hoch, bis sie das Gefühl hatte, wie ein Teekessel kreischen zu müssen. Bis sie die mäuschenhaften Fetzen ihrer zerrissenen Persönlichkeit am liebsten verbrannt hätte.
Es stieg jetzt in ihr auf, dieses wilde Aufbegehren.
Der Teil von ihr, der immer noch Minerva war – der Teil, der nicht glattgeschliffen worden war – flüsterte ihr Versuchungen ins Ohr. Du musst nicht still schweigen. Du brauchst einen Plan.
Keine Pläne. Ihre Großtanten würden protestieren, wenn sie ahnten, dass sie mit dem Gedanken spielte, etwas zu tun. Es war Jahre her, seit sie sich das gestattet hatte.
Stevens denkt, du seist der Verfasser der Pamphlete. Du weißt, dass du das nicht bist. Also musst du herausfinden, wer es in Wahrheit ist.
Dumm. Närrisch. Idiotisch. Unmöglich.
Aber es war egal, wie sehr sie sich selbst geißelte – die schlimmen Gedanken ließen ihr einfach keine Ruhe. Wie konnte sie aufdecken, wer wirklich dahinter steckte? Es konnte jedermann sein.
Nein, das stimmt nicht. Du weißt, Captain Stevens ist es nicht. Und deine Großtanten auch nicht. Und du selbst ohnehin nicht . Wenn sie herausbekommen konnte, wer es nicht getan haben konnte, würde der Schuldige übrig bleiben … quasi durch Ausschlussverfahren.
Nein, du Dummchen. Es könnten Hunderte gewesen sein. Tausende.
Aber nachdem sie sich mit etwas zu beschäftigen begonnen hatten, war es nahezu unmöglich, ihre Gedanken abzustellen. Da waren die fetten Großbuchstaben, die Ausrufezeichen. Absätze mit Text, in denen die Fabrikbesitzer beschrieben wurden und ihr Nachwuchs. Irgendetwas daran war merkwürdig.
Und dann, aus irgendeinem Grund, musste sie an etwas völlig anderes denken. Minnie wusste, warum sie sich hinter dem Sofa versteckt hatte. Sie war vor der Menge geflohen und vor Gardleys Antrag.
Aber, warum um alles in der Welt, hatte der Duke of Clermont sich versteckt?
VEREINIGT EUCH!!! VEREINIGT EUCH, VEREINIGT EUCH!!!!
Und wie seltsam sein Lächeln war – dieses freundliche Lächeln, leicht verlegen? Wann hatte der Herzog jemals lernen sollen, sich für das zu entschuldigen, was er war?
Nein, da stimmte definitiv etwas nicht. Irgendetwas …
Die Erkenntnis traf sie mit einer Macht, die so grell leuchtete, dass die Kutsche in dem Aufzucken des Blitzes zu verschwinden schien.
Momente wie diese waren einer der Gründe dafür, dass es so schön war, Minerva Lane zu sein. Es gab Zeiten, da hatte sie das Gefühl, Worte seien Fäden, restlos ungenügend, um die Enormität ihrer Gedanken zu fassen. Die Landschaft in ihrem Kopf arrangierte sich neu, verformte sich mit tektonischer Wucht und setzte sich mit einer Sicherheit zusammen, die ihre Fähigkeiten zu erklären überstieg.
Und so, obwohl sie wusste, sie sollte es nicht – obwohl sie wusste, wie gefährlich es war zu planen – wusste Minnie, was sie tun musste. Der Plan fiel ihr einfach so in den Schoß.
Es war nichts, was die mäuschenhafte Miss Pursling in Betracht ziehen würde. Aber Minerva Lane … die wusste, was sie zu tun hatte.
Und Gott sei Dank würde sie Walter Gardley nicht unverzüglich heiraten müssen.
Vielleicht würde sie das eines Tages tun. Aber wenn sie verhindern konnte, dass Stevens sie weiter verdächtigte, würde sie ihn am Ende sogar monatelang vertrösten können. Und vielleicht – ganz vielleicht – würde sich doch etwas Besseres ergeben.
Kapitel Drei
E S IST BEINAHE SCHON UNGERECHT, wie gut er aussieht, überlegte Minnie, als der Duke of Clermont in den Salon schlenderte. Die Strahlen der Morgensonne, die durch die Fenster ins Zimmer strömten, fielen auf sein hellblondes Haar, das nur, weil es sich leicht lockte, nicht zu lang war. Er blieb auf der Schwelle stehen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, während er Minnie betrachtete, brachte es dabei nur noch mehr in Unordnung. Selbst wenn die zerzausten Haare ihn zugänglicher wirken ließen, wurde dieser Eindruck durch seine Augen wieder zunichtegemacht. Sie blickten scharf und kalt, in einem durchdringenden Blau, wie ein Eisbach zur Schneeschmelze im Frühling. Sein Blick fand sie, verweilte ein paar Sekunden und richtete sich dann auf Lydia, die neben ihr stand.
Lydia hatte gekichert, als sie gehört hatte, dass Minnie beim Duke of Clermont vorstellig werden wollte – und sie hatte auch mit keiner Wimper gezuckt, als Minnie erklärt hatte, sie müsse allein mit ihm sprechen.
Sie bildete es sich sicher nur
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