Der Herzog Von Köln
schwer, meine Lage ernst zu nehmen, nach allem, was mir heute zugestoßen ist«, brummte Oladahn nach einer Weile. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich wache oder träume.«
»Erzähl, Oladahn«, bat Falkenmond. »Wie war es möglich, dass du diesen schrecklichen Sturz überlebtest? Ich meinte, du wärst am Fuß des Turms zerschmettert worden.«
»Das wäre ich auch, hätten mich nicht die Geisterwesen in der Luft aufgefangen.«
»Geister? Du scherzt.«
»Durchaus nicht. Diese – diese Geisterwesen erschienen plötzlich aus den Fenstern des Turmes und trugen mich sanft zu Boden. Sie hatten die Form und Größe von Menschen, waren jedoch durchsichtig.«
»Du hast dir sicher den Kopf angeschlagen und das nur geträumt.«
»Möglich.« Oladahn hielt inne. »Doch wenn es so war, dann träume ich auch jetzt noch. Seht nach links.«
Falkenmond wandte den Kopf und riss vor Staunen den Mund auf. Ganz deutlich konnte er eine Männergestalt erkennen, doch war sie von milchiger Transparenz, dass er die Wand dahinter sah.
»Ein richtiger Geist«, murmelte er. »Seltsam, dass ich den gleichen Traum wie du träume.«
Ein melodisches Lachen erklang. »Ihr träumt nicht, Fremdlinge«, versicherte ihnen das Geistwesen. »Wir sind Menschen wie Ihr. Nur ist unsere Körpermasse ein wenig verändert, das ist alles. Wir existieren nicht direkt in der gleichen Dimension wir ihr. Doch sind wir durchaus Menschen. Wir sind die Bewohner dieser Stadt.«
»So ist Soryandum gar nicht verlassen«, staunte Oladahn. »Aber wie kamt Ihr zu – dieser eigenartigen Form des Daseins?«
Das Wesen lachte erneut. »Durch die Beherrschung unseres Geistes, durch bestimmte wissenschaftliche Experimente und auch durch eine gewisse Kontrolle von Raum und Zeit. Ich bedauere, dass es mir unmöglich ist, Euch zu erklären, wie wir diesen Zustand erlangt haben; denn wir schafften es unter anderem, indem wir uns einer völlig neuen Wortschöpfung bedienten, und die Sprache, die ich verwendete, wäre nichts sagend für Euch. Seid jedoch versichert, dass wir dadurch nicht verlernt haben, Menschen einzuschätzen. So erkannten wir euch als potentielle Freunde und jene anderen als gefährliche Feinde.«
»Eure Feinde? Wie ist das möglich?« fragte Falkenmond.
»Ich werde es Euch später erklären.« Der Geistmann beugte sich über den Herzog und hob ihn empor. Das Wesen mochte vielleicht körperlos scheinen, aber es war stärker als ein normaler Sterblicher. Zwei weitere Geistmenschen schwebten aus der Dunkelheit herbei. Einer trug Oladahn, während der andere die Hand hob und ein Leuchten schuf, das das Verlies erhellte. Falkenmond sah nun, dass die Geistmenschen hochgewachsen und schlank waren und schmale, gutaussehende Gesichter mit blind wirkenden Augen hatten.
Falkenmond hatte angenommen, diese Bürger Soryandums könnten durch feste Wände dringen, aber nun sah er, dass sie von oben herabgekommen waren; denn etwa in mittlerer Höhe einer Seitenwand zeichnete sich eine Öffnung mit einem Schacht dahinter ab. Vielleicht hatte er früher einmal als Lastenaufzug gedient.
Die Geistmenschen schwebten mit ihrer Last empor, bis in der Ferne der Mond und Sternenlicht zu sehen waren.
»Wohin bringt Ihr uns?« erkundigte sich Falkenmond.
»An einen sicheren Ort, wo wir Euch von den Ketten befreien können.«
Als sie das Ende des Schachtes erreichten und die kühle Nachtluft sie umfing, hielten sie an, während der Geistmensch ohne Last vorausschwebte, um sich zu vergewissern, dass keine Granbretanier sich in der Nähe befanden. Er bedeutete den anderen, ihm zu folgen, und sie kamen schließlich zu einem dreistöckigen Haus, das in besserem Zustand zu sein schien als die restlichen Gebäude, doch offenbar keinen ebenerdig gelegenen Einlass besaß. Die Geistmänner schlüpften mit Falkenmond und Oladahn durch ein Fenster des ersten Stocks, wo sie die beiden in einem einfach ausgestatteten Raum absetzten.
»Hier wohnen wir«, erklärte einer der Geistmenschen. »Es gibt aber nicht mehr sehr viele unserer Art. Wir leben zwar Jahrhunderte lang, doch sind wir, seit wir diese Form annahmen, nicht mehr fortpflanzungsfähig. Das mussten wir aufgeben, um zu werden, wie wir heute sind.«
Weitere Soryandumer, einige von ihnen Frauen, betraten nun das Zimmer durch eine Tür. Sie waren alle von fast unirdischer Schönheit und Grazie, milchiger Transparenz, und keiner trug Kleidung. Weder ihre Gesichter noch Körper verrieten ihr Alter, und sie strahlten einen
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