Der Hexenmeister
jetzt mit Baines in Rom, Dr. Adolph Hess. Hess hatte sich mit der Erfindung und Planung jenes eigenartigen Allzweck-Fahrzeuges einen Namen gemacht, das man nach ihm ›Hessicopter‹ benannt hatte. Bei den gegenwärtigen Verhandlungen aber wurde er wegen einer anderen Erfindung beigezogen, von der hoffentlich noch niemand etwas gehört hatte: seinem Landtorpedo. Es handelte sich dabei um eine sich unter der Erde rasch vorgrabende Vorrichtung mit Sprengkopf, die, wenn es die geologischen Gegebenheiten gestatteten, völlig unerwartet und unerkannt unter jedem feindlichen militärischen Ziel innerhalb eines Radius von mehr als dreihundert Kilometern vom ›Abschußtunnel‹ auftauchen konnte. Baines vermutete, daß diese kleine Überraschung für wenigstens eine der beiden Seiten der Unruhen im Jemen interessant sein könnte. Es stellte sich bald heraus, daß er recht gehabt hatte. So richtig war in diesem Falle sein Instinkt gewesen, daß er nun alle Mühe aufwenden mußte, um nicht mit allen vier interessierten Parteien über diese neue Wunderwaffe feilschen zu müssen. Das war um so schwerer, als — obwohl die beiden tatsächlich kämpfenden Parteien im Jemen keine Probleme boten — Nasser als Verhandlungspartner beinahe so gewitzt wie Baines selbst war, und Faisal ihn unbestritten in dieser Hinsicht noch um ein ganzes Stück übertraf.
Aber trotz alledem war Baines eben seiner ganzen Natur nach kein Miniatur-Künstler, und er war sich dessen auch durchaus bewußt. Er hatte überhaupt den ganzen Wandel seiner Handelsbasis schon sehr früh vorausgesehen. Um es genau zu sagen: ein Band mit dem Titel Die Wirkung von Atomwaffen, den das US Government Printing Office in Washington im Jahre 1950 herausgebracht hatte, hatte ihm die Augen geöffnet. Damals hatte er sich so rasch als möglich der Dienste einer privaten Firma versichert, die sich Mamaroneck Research Institute nannte. Es handelte sich im wesentlichen um eine Art Braintrust, den ein ehemaliger Angestellter der RAND-Corporation auf die Beine gestellt hatte. Die Organisation spezialisierte sich darauf, alle möglichen politischen und militärischen Konfrontationen auszuhecken und auf ihre Möglichkeiten und ihren voraussichtlichen Ausgang hin zu durchdenken. Einige dieser Projektionen waren so abnorm, daß man sich zu ihrer Wiedergabe freischaffender Autoren von Zukunftsromanen bediente. Aus den Archiven der CWS und aus anderen Quellen kam das Material, mit dem Baines das Mamaroneck-Forschungsinstitut belieferte, das damit seine Computer fütterte. Viel von diesem Material hätte manche Regierung, die glaubte, niemand anderer wisse davon, in ihren Grundfesten erschüttert. Dafür erhielt Baines vom Mamaroneck-Institut lange, schön beschriftete und gegliederte xerographierte Berichte mit Titeln wie ›Kurz- und langfristige vermutliche Auswirkungen einer Blockade der Färöer-Inseln durch Israel.‹
Die eindeutig absurdesten dieser Berichte siebte Baines natürlich aus, aber mit einer Art von Sorgfalt, die durchaus nicht Konservativismus entsprang. Es konnte sich nämlich leicht erweisen, daß einige der scheinbar abwegigsten Studien auf den zweiten Blick gar nicht mehr so absurd erschienen. Jene, die die beste Kombination von oberflächlicher Absurdität mit verborgener Plausibilität aufwiesen, begann er dann in wirkliche Situationen zu übersetzen. Es war also eigentlich gar nichts Unlogisches oder auch nur für Baines Ungewöhnliches an seinem Interesse für Theron Ware. Schließlich trieb ja auch er, Baines, eine okkulte Kunst, an die der ›Mann auf der Straße‹ längst nicht mehr glaubte.
Der Summer ertönte zweimal: Ginsberg war zurück. Baines erwiderte das Signal, und die Tür öffnete sich.
»Rogan ist tot«, sagte Jack kurz und ohne Einleitung.
»Das ist aber schnell gegangen. Ich dachte, Ware würde nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten noch mindestens eine Woche brauchen.«
»Er ist auch schon seit einer Woche zurück«, erinnerte ihn Jack.
»Hm? Ja, wirklich. Diese Warterei mit den Arabern, bis sie sich endlich entschließen, ein bißchen Geld auszugeben, nimmt einem völlig das Zeitempfinden. — Sieh mal einer an. Irgendwelche Einzelheiten?«
»Bis jetzt nur, was über den Fernschreiber von Reuter gekommen ist. Hat als Lungenentzündung angefangen und als Herzversagen geendet, angeblich wegen der Anstrengung des Hustens. Scheint, daß der Mann seit Jahren ein schwaches Mitralgeräusch hatte. Nur seine Familie wußte davon,
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