Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
und versuchte sich wegzudrehen. Sofort sprangen die beiden Knaben vom Schlitten auf und rannten hinterher, um mitzumischen. Zum Schluss lagen drei Kinder mit feuerroten Wangen und lachenden Augen im Schnee.
»Bald läuten die Glocken zur Mittagszeit, und wir sind kaum vorwärtsgekommen«, rief Johann und trieb zur Eile an.
Auf dem Rücken liegend zeichneten die Kinder mit Beinen und Armen Abdrücke in den Schnee, um in der weißen Pracht Formen von Engeln zu hinterlassen. Dann standen sie auf, klopften den Schnee von ihren Kleidern und liefen ihren Vätern hinterher, die bereits weitergegangen waren. Kichernd setzten sich Georg und Benjamin wieder auf den Schlitten.
Recht bald stieg die Anhöhe, die von den Einheimischen Hoxberg genannt wurde, mit jedem Schritt an, sodass die Buben absteigen und zu Fuß weitergehen mussten.
»Wann sind wir endlich da?«, maulte Benjamin nach einer Weile, und Georg stimmte jammernd mit ein. »Es ist so anstrengend, und ich habe Hunger.« Lustlos schlurften beide neben ihren Vätern her. »Wie weit ist es noch?«, jaulten die Jungs im Chor.
Magdalena wollte die beiden gerade aufmuntern, als sie sah, wie Clemens mit dem Fuß den Schnee an einer Stelle zur Seite schob. Als er anscheinend gefunden hatte, was er suchte, zwinkerte er ihrem Vater zu, der unmerklich nickte. Magdalena blickte die Männer fragend an, und Johann blinzelte ihr ebenfalls zu. Das Mädchen konnte sich keinen Reim darauf machen und zuckte mit den Schultern.
Plötzlich schrie Clemens, dem Magdalena ansehen konnte, dass er sich nur mit Mühe ein Lachen verbeißen konnte: »Halt! Bleibt stehen!«
Johann riss die Augen auf und fragte mit lauter Stimme: »Um Himmels willen, Clemens, was ist geschehen? Hast du ein wildes Tier gesehen?«
Georgs und Benjamins Gesichtsfarbe veränderte sich. Aufgeregt drängten sie sich dichter an ihre Väter.
»Hier muss es gewesen sein«, flüsterte Clemens und zeigte vor sich auf den Boden. Magdalena spielte das Spiel mit und rief: »Mir wird angst und bange, Vater!«
»Was war hier?«, fragte Georg mit zittriger Stimme und blickte um sich.
»Hier ist der Grenzstein, den der gierige Bauer damals versetzt hat, um sein Land zu mehren«, erklärte Clemens mit verhaltener Stimme und sah sich dabei nach allen Seiten um.
»Welcher Bauer?«, fragte Benjamin flüsternd.
Sein Vater erklärte mit ernster Miene: »Er war ein Mann, der habgierig und böse war. Kurze Zeit nachdem der Bauer den Stein versetzt hatte, damit sein Acker größer werde, starb er. Als er vor unseren Schöpfer trat, strafte Gott ihn für seine Habsucht und schickte ihn als Untoten zurück auf die Erde. Seitdem muss er als Geist umherwandeln und den Stein auf seinem Rücken tragen, bis er erlöst wird.«
Magdalena hatte unterdessen die Butterbrote ausgepackt und jedem eins gegeben. Georg und Benjamin saßen kauend auf dem Schlitten und hörten Johann aufmerksam zu.
»Wie kann er von dem Fluch befreit werden?«, fragte Georg und schob sich den letzten Bissen Brot in den Mund.
Johann zuckte mit den Schultern. »Die Legende erzählt, dass der Bauer jeden, der seinen Weg kreuzt, fragt, wohin er den Stein tragen soll. Doch niemand wusste bis jetzt die Antwort.«
»Der arme Mann«, flüsterte Benjamin. »So ein Stein ist sicher schwer zu tragen.«
»Wäre er nicht so habgierig gewesen, hätte der liebe Gott ihn sicher nicht bestraft«, meinte Georg.
»Ich kenne die Geschichte vom Grenzsteingänger«, sagte Magdalena nachdenklich. »Euer Freund Burghard, der damals für das Dorf hier im Wald die Schweine gehütet hatte, war voller Angst, als der Knecht ihm diese Geschichte erzählte. Jedenfalls hat mir Mutter das erzählt.«
Ihr Vater lachte laut auf. »Ich werde niemals vergessen, wie damals in einer eiskalten Nacht Burghard schweißtriefend zu Hause angekommen war. Er glaubte tatsächlich, dass der Grenzsteingänger hinter ihm her sei, und war voller Furcht von dieser Stelle bis zum Gestüt gelaufen.«
»Wir müssen weiter«, erklärte Clemens schmunzelnd und versprach: »Wenn wir an der Stelle sind, wo die schönsten Tannen stehen, erzähle ich euch noch eine Geschichte.«
»Wieder eine Geistergeschichte?«, fragte Benjamin.
»Nein, diese handelt von schwarzen Schatten«, verriet Clemens geheimnisvoll. »Aber erst müsst ihr ein gutes Stück marschieren.«
• Kapitel 9 •
Das Geräusch des Schlüssels, der sich im Schloss umdrehte, weckte das Kind. Langsam öffnete es die Augen, doch als es Schritte auf
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